Wenn die Klinik-Rechnung falsch ist

Berlin · Bei der Überprüfung von Abrechnungen fanden Krankenkassen in jedem zweiten Dokument Fehler. Falsche Abrechnungen sollen die Kassen rund 2,3 Milliarden Euro gekostet haben.

 Ab ins Krankenhaus und dann? Die Kassen beklagen sich, dass viele Behandlungen falsch abgerechnet werden. Foto: dpa

Ab ins Krankenhaus und dann? Die Kassen beklagen sich, dass viele Behandlungen falsch abgerechnet werden. Foto: dpa


Berlin. Die ungewöhnlich lange Dauer des stationären Aufenthalts einer Patientin machte die zuständige Krankenkasse stutzig. Ein Prüfungsverfahren wurde eingeleitet, und am Ende stellte sich heraus, dass eine von der Klinik mit abgerechnete Teilentfernung des Dickdarms während der gynäkologischen Operation überhaupt nicht erfolgt war. Schaden für die Kasse: 8500 Euro.
Der Fall ist nur ein Beispiel für manipulierte Abrechnungen von Kliniken, die die gesetzlichen Krankenkassen nach eigenen Angaben allein im ersten Halbjahr 2013 rund 2,3 Milliarden Euro gekostet haben.
Insgesamt geben die Kassen jährlich etwa 66 Milliarden Euro für Krankenhausleistungen aus. Gemessen daran ist die Schadenssumme eher gering. Und dennoch: Würden alle 2000 Hospitäler in Deutschland immer ehrlich wirtschaften, könnte der allgemeine Kassenbeitrag um 0,2 Punkte auf 15,3 Prozent sinken. Und das womöglich sogar auf Dauer.
Denn nach den neuesten Daten des Spitzenverbandes der Krankenkassen (GKV) ist bereits seit dem Jahr 2011 jede zweite vom Medizinischen Dienst genau geprüfte Krankenhausrechnung fehlerhaft. Nach geltendem Recht werden die Krankenhausabrechnungen in einem zweistufigen Verfahren geprüft. Zunächst geht es um offensichtliche Anzeichen für mögliche Fehler. Dies kann zum Beispiel eine mit abgerechnete Nebendiagnose sein, aber eben auch eine außergewöhnliche Verweildauer in der Klinik. Erhärten sich Zweifel, kommt es in einem zweiten Schritt zu einer genaueren Begutachtung. Auf diese Weise werden pro Jahr etwa elf bis zwölf Prozent aller Abrechnungen genauer unter die Lupe genommen.
Dabei herrscht allerdings nicht "Waffengleichheit" zwischen Prüfern und Geprüften. Ist eine Rechnung am Ende ordnungsgemäß, muss die Krankenkasse der Klinik eine "Aufwandspauschale" von 300 Euro zahlen. Erweist sich die Rechung als fehlerhaft, muss die Klinik dagegen nur den zu viel erhaltenen Betrag der Kasse erstatten. Im eingangs erwähnten Beispiel also 8500 Euro. Eine Strafe ist nicht vorgesehen.
Bisher keine Sanktionen


Daran stören sich die Kassen schon seit langem. "Wir wollen, dass es für Kliniken, die falsch abrechnen, eine Sanktion gibt. Es kann doch nicht sein, dass ein Krankenhaus nach dem Motto handeln kann, im Zweifel aufschreiben, vielleicht merkt es die Kasse ja nicht", erklärte GKV-Sprecher Florian Lanz gegenüber unserer Zeitung. Wenn die Kassen 300 Euro für eine unnötige Prüfung zahlten, dann müssten auch die Kliniken für eine falsche Rechnung 300 Euro zusätzlich zur Rückerstattung zahlen, so Lanz. Der Dachverband der Kliniken, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, wies die Vorwürfe gestern als "schlichtweg falsch" zurück. Die Kliniken würden "in unzulässiger Weise diskreditiert".
Suche nach Kompromiss


Nach geltendem Recht sollten sich beide Seiten auf eine Neuregelung des Abrechnungsverfahrens verständigen. Aber die Verhandlungen sind gescheitert. Deshalb soll nun die Bundesschiedsstelle von Kassen und Kliniken einen Kompromiss finden.
Nach Einschätzung von Jürgen Wasem, Professor für Medizinmanagement in Essen, ist es damit allerdings kaum getan. "Jedes Abrechnungssystem bietet Missbrauchsmöglichkeiten", sagte Wasem unserer Zeitung. Um sie einzudämmen, müsse die Politik bei der Notlage der Krankenhäuser ansetzen. Als Beispiel nannte Wasem die unzureichenden Investitionszahlungen der Länder an die Krankenhäuser.
Viele Kliniken hätten einen Anreiz, durch das Gestalten von Diagnosen oder Therapien einen höheren Erlös herauszuschlagen, sagte Wasem. "Denn rund die Hälfte schreibt rote Zahlen." Da sei praktisch jedes Mittel zur Gewinnmaximierung recht, zumal ein Drittel der Kliniken in privater Trägerschaft sei und die Aktionäre eine Dividende haben wollten.

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