Wenn die Natur unter Bitumen und Beton verschwindet

Trier · Zahlreiche Beispiele zeigen, dass auch in der Region täglich Wiesen und Äcker verschwinden, weil der Platz für Häuser, Industriehallen oder Straßen benötigt wird. Allerdings gibt es hier auch Strategien, um den Landfraß einzudämmen.

 Symbol-Foto: iStock/© Alvinge

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Trier. Im Vorspann zu Peter Lustigs beliebter Kinderserie sprengt sich der Löwenzahn zur fröhlichen Titelmelodie einfach seinen Weg durch den Asphalt und erobert sich den Lebensraum zurück, den man ihm genommen hat. Tatsächlich entwickeln sprießende Pflanzen enorme Kräfte - bis zu 15 Bar Druck können sie aufbauen. Gegen den Flächenverbrauch in Deutschland ist jedoch offenbar kein Kraut gewachsen.
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Immer mehr Wiesen, Weiden, Wald, Äcker oder Brachen verschwinden unter Asphalt, werden zu Straßen, Industrieparks oder Vorgärten. Seit 2004 ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland von 45 621 auf 48 895 Quadratkilometer angestiegen. Das sind 13,7 Prozent der Landesfläche. Zwar hat sich der "Landfraß" verlangsamt: 2004 wurden täglich noch 130 Hektar (182 Fußballfelder) Land bebaut, zehn Jahre später waren es unter 70 Hektar (rund 97 Fußballfelder). Dennoch ist die Bundesregierung von dem Ziel, das sie bis 2020 erreichen will, noch weit entfernt - nämlich nur noch 30 Hektar Land pro Tag zu verbrauchen.
So wird das Land begraben


Die Asphaltierung lässt sich auch in der Region Trier gut verfolgen. Aktuell eindrücklich am Beispiel des Hochmoselübergangs, der selbst im Satellitenbild eine deutlich erkennbare Schneise durch die Region fräst. Auch ohne die umstrittene Brücke wäre dies ein gewaltiges Bauprojekt. Fast 300 Fußballfelder Landschaft werden auf dem 25 Kilometer langen Straßenabschnitt zwischen dem Autobahnkreuz Wittlich und Kommen unter Asphalt begraben oder zu Wällen, Böschungen und Straßengräben umgeformt. Das Vorhaben veranschaulicht auch, warum Bauernvertreter ökologische Ausgleichsmaßnahmen kritisch sehen. Schon die neue Straße raubt der fruchtbaren Wittlicher Senke Flächen, die zuvor intensiv agrarisch genutzt wurden. Ein ökologischer Eingriff, der dadurch ausgeglichen wird, dass noch viel mehr Land, nämlich 600 Hektar (840 Fußballfelder) im Sinne der heimischen Flora und Fauna nun anders oder gar nicht mehr genutzt werden. Aus Feldern rechts und links der neuen B 50 werden Streuobstwiesen, Wälder oder Feuchtbiotope.
Beim Bau der A 1 soll laut Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum sogar ein Zwölffaches der eigentlichen Straßenfläche im Sinne des Naturschutzes verwandelt werden.
Wie Äcker zu Betriebsflächen werden, lässt sich anschaulich in Föhren verfolgen. Vor zehn Jahren waren dort noch 50 Hektar Gewerbefläche frei. "Und jetzt ist alles weg", stellte ein staunender Landrat kürzlich fest. Das Gebiet soll nun um 27 Hektar erweitert werden, davon sind 17 Hektar - noch - Ackerland. Neue Häuser entstehen überall in der Region Trier. Weisen doch selbst kleinste, entlegenste Dörfer in der Hoffnung auf Neubürger noch Baugebiete aus. Wie begehrt Land stellenweise ist, zeigt sich in den Städten der Region - insbesondere in Trier - sowie in der Nähe zu Luxemburg, wo die Grundstückspreise explodiert sind: Wer in der Moselmetropole ein Häuschen bauen will, müsste dafür (wenn er denn überhaupt ein Grundstück findet) fast 30 Prozent mehr zahlen als 2005.
So lässt sich Land schonen


In der Region Trier gibt es auch Beispiele dafür, wie man sparsam mit Land umgehen kann. So hat das 580-Einwohner-Dorf Oberstadtfeld (Vulkaneifel) entschieden, kein Neubaugebiet anzulegen, sondern für Neubürger stattdessen Platz in der Dorfmitte zu schaffen. Leerstehende Häuser, die niemand mehr sanieren wollte, wurden auf Kosten der Gemeinde und mit Hilfe eines Zuschusses aus der Dorferneuerung abgerissen und die Flächen als Bauland vermarktet. "Für uns läuft das sehr positiv", sagt Ortsbürgermeister Hubert Molitor, der zuversichtlich ist, alle "neuen" Grundstücke zu verkaufen.
Als Beispiel für eine gelungene Ausgleichsmaßnahme führt das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum den Ökopool Oberes Dhrontal an. Auf einer Traumschleife (LandZeitTour) können Wanderer in dem 71 Hektar großen Gebiet verschiedenste Feuchtbiotope, seltene Arnikawiesen und Borstgrasrasen erkunden und sehen dabei mit etwas Glück einen Wiesenpieper oder den Lilagold-Feuerfalter. Statt irgendwo in der Nähe einer neuen Straße oder eines neuen Gewerbegebiets ertragsreiche landwirtschaftliche Flächen aus der Nutzung zu nehmen, um einen Öko-Ausgleich zu schaffen, hat man dort, unweit der Burgruine Baldenau, im Rahmen der Flurbereinigung ein großes, zusammenhängendes Gebiet geschaffen, in dem die Natur sich entfalten kann. Einige Hektar dienen als Ausgleich für die neue B 50, andere für den Ausbau der B 327 (Hunsrückhöhenstraße) oder für die Erweiterung des Gewerbegebiets Humos bei Morbach. Landespfleger schwärmen, dass es so nur Gewinner gebe: die Natur, weil dem Gebiet im Umkreis ökologisch sehr wertvoller Biotope ein hohes Entwicklungspotenzial bescheinigt wird; Wanderer, die diese Natur erkunden können; und einheimische Landwirte, die die Flächen weiter im Rahmen eines ökologischen Beweidungskonzeptes nutzen können.Extra

Preisentwicklung: Zahlen des Statistischen Landesamts zeigen, dass landwirtschaftliche Flächen in den vergangenen Jahren deutlich teurer geworden sind: 2014 (aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor) mussten Landwirte pro Hektar - das entspricht 10 000 Quadratmetern - 12 092 Euro zahlen. Zehn Jahre zuvor waren es noch 8417 Euro gewesen. Vom Höchststand der 1980er Jahre ist man allerdings immer noch ein Stück entfernt. 1984 kostete der Hektar Land 14 489 Euro. Regional gibt es große Unterschiede. Besonders hohe Preise erzielen Bauern für ihr Land dort, wo viele Menschen leben. Im Rhein-Main-Tiefland und dem Landkreis Mayen-Koblenz kostete der Hektar 2014 zum Teil deutlich mehr als 20 000 Euro. Am teuersten wird es in den Städten selbst - Spitzenreiter ist Mainz mit knapp 63 000 Euro pro Hektar. Aber auch Trier (rund 11 000 Euro) und der Eifelkreis Bitburg-Prüm (10 749 Euro) gehören zu den teureren Landstrichen. In den Kreisen Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel zahlt man zwischen 8000 und 10 000 Euro/Hektar Land. Am günstigsten sind Äcker, Wiesen und Weiden im Hunsrück, im Nordpfälzer Bergland und in der Südwestpfalz. MosExtra

Ein weiterer Faktor, der den Preisdruck auf landwirtschaftliche Flächen erhöht, sind Städter, die in etwas Solides investieren wollen und Spekulanten, die sich angesichts der wachsenden Weltbevölkerung und des steigenden Nahrungsmittelbedarfs ein Stück vom Kuchen sichern wollen. Laut Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz sind Grund und Boden wegen der niedrigen Zinsen für Anleger interessant. In der Region spielen solche Investoren laut DLR keine große Rolle, da die Flächen wegen der Realerbteilung relativ klein sind. MosExtra

Um den Flächenverbrauch zu begrenzen, wurden Ausgleichsmaßnahmen, die bei Eingriffen in die Natur erfolgen müssen, mit dem neuen Landesnaturschutzgesetz anders geregelt. Laut Mainzer Umweltministerium soll der Ausgleich verstärkt auf naturnah bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen erfolgen. Äcker oder Weiden bleiben so erhalten oder werden reaktiviert. Beispiele dafür sind die naturnahe Bewirtschaftung von Grünland - unter Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide oder die Beweidung von Brachflächen, die für den Naturschutz wertvoll sind. Mos

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