Wenn die Windräder durchdrehen - Defekte können zu schweren Unfällen führen

Trier · Möglicherweise ist schon seit Jahren bekannt, dass Probleme mit der Rotorsteuerung zu schweren Unfällen führen können.

Nachdem im Dezember 2006 ein Rotorblatt der Anlage in Mehring abgerissen war (Foto rechts), wurde der Turm gesprengt. TV-Fotos: Archiv/Friedhelm Knopp

Foto: Friedhelm Knopp (f.k.) ("TV-Upload Knopp"

Anwohner hören am frühen Morgen des 8. Dezember 2006 ein lautes Poltern. "Wie eine Waschmaschinenschleuder mit Unwucht", sagt damals ein Bewohner der Siedlung Neumehring bei Mehring (Kreis Trier-Saarburg). Fast zwei Stunden dauert das Poltern, das von einem der nahen Windräder kommt. Die Bewohner beobachten, wie sich der Rotor der 113 Meter hohen Anlage immer schneller dreht, obwohl an dem Morgen kein starker Wind geht. Schließlich reißt ein 35 Meter langer Flügel ab und stürzt zu Boden.

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Lange Zeit wird von da an unklar bleiben, wie es zu dem Unfall an der erst ein paar Monate zuvor aufgestellten Anlage kommen konnte und warum sich der Rotor nicht, wie vorgesehen, abschaltete. Möglicherweise war die Ursache ein Fehler bei der sogenannten Pitch-Steuerung. Dabei handelt es sich um eine Art Abschaltautomatik. Die soll verhindern, dass sich Rotorblätter etwa bei Sturm zu schnell drehen. Offenbar gibt es bei einigen Anlagen auch Jahre nach dem Vorfall in Mehring noch immer Probleme mit dieser Steuerung, wie das Magazin Der Spiegel kürzlich berichtete. Anfang Januar fiel im norddeutschen Neu Wulmstorf ein 94 Meter hohes Windrad um. Laut Wartungsfirma lag die Ursache vermutlich in der Pitch-Regelung.

Zu einem ähnlichen Fall war es im Dezember 2014 auch im brandenburgischen Koßdorf gekommen. "Im Normalfall", sagt Wilhelm Heyne, "haben Probleme mit der Pitchsteuerung keine katastrophalen Folgen wie das Abknicken des Turms einer Anlage." Heyne ist Vizevorsitzender des Landesverbandes Windenergie. Die Türme seien aus etwa 25 Millimeter dickem Feinkorn-Baustahl. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBT) achte beim Errichten der Anlagen auf deren Standsicherheit, sagt Heyne. Zusammen mit den Herstellern seien die Betreiber selbst für die Sicherheit einer Windkraftanlage verantwortlich, heißt es aus dem zuständigen Umweltministerium in Mainz.

Bei der Abnahme durch das DIBT werde auch der Bedarf an wiederkehrenden Prüfungen von Bauteilen des Windrades ermittelt, sagt Ministeriumssprecherin Stefanie Lotz. Das bedeutet: Nicht alle Anlagen werden automatisch und regelmäßig überprüft. Laut Heyne gibt es aber alle zwei Jahre wiederkehrende Prüfungen für Windräder. Spätestens dann würden die Rotorblätter kontrolliert und bei Bedarf repariert. In den neuesten Genehmigungen sei sogar vorgeschrieben, dass die Blätter beim halbjährlichen Service-Chek durch die Hersteller auf Schäden untersucht werden. Heyne: "Sicherheitsrelevante Mängel, die nicht umgehend behoben werden, treten bei regelmäßig gewarteten und kontrollierten Windenergieanlagen eigentlich nicht auf." Allerdings: "Es kann auch etwas übersehen werden, was dann unter Umständen zu einem katastrophalen Ausfall führt."

Mit dem Alter der Anlagen hätten die Zwischenfälle nichts zu tun, versichert Heyne. Die durchschnittliche Lebensdauer von Rotorblättern betrage zwar 25 Jahre, aber kaum eine Anlage stehe länger als 22 Jahre.
Einen "katastrophalen Ausfall", wie Heyne es nennt, hat es Ende Dezember 2013 auch im pfälzischen Donnersbergkreis gegeben. Ein 60 Tonnen schwerer Rotorflügel brach damals von einem Windrad ab und krachte in ein Feld. Verletzt wurde niemand. Daraufhin legte das Umweltministerium ähnliche Anlagen des Herstellers im Hunsrück zunächst einmal still. Gebaut wurden die Anlagen von Enercon aus dem ostfriesischen Aurich. Genau wie das Windrad in Mehring, bei dem es 2006 zum Unfall kam.ÖKOSTROM-MENGE STEIGT WEITER AN

Extra

Rund 1500 Windkraftanlagen gibt es zurzeit in Rheinland-Pfalz. Laut Energieagentur haben diese Anlagen im Jahr 2015 insgesamt 5041 Gigawattstunden Strom produziert. Insgesamt wurden im Land in dem Jahr 8526 Gigawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien in das Leitungsnetz von Rheinland-Pfalz eingespeist. Das sind laut der Agentur rund 22 Prozent mehr als noch 2014. Die Energieagentur berät Bürger, Kommunen, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen beim Ausbau von Öko-Energien und beim Energiesparen. Sie gehört zu 100 Prozent dem Land Rheinland-Pfalz. Am meisten Windstrom (1026 Gigawatt) wurde im Rhein-Hunsrück-Kreis produziert. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm waren es 486 Gigawattstunden, in Trier-Saarburg 344, in Bernkastel-Kues 86 und im Vulkaneifelkreis 158 Gigawattstunden. Eine Gigawattstunde entspricht etwa der Menge an Strom, die 300 Zweipersonenhaushalte in einem Jahr durchschnittlich verbrauchen.