Wenn Elvira, Friederike und El Niño mit Deutschland spielen

Berlin · Unwetter mit Sturzbächen und Flutwellen können fast überall vorkommen. Die wenig erfreuliche erste Bilanz des Deutschen Wetterdienstes zum Sommer wird nicht jeden beruhigen.

Eigentlich war im ersten Halbjahr alles normal in Deutschland: Eher wechselhaft, keine besonderen Ausschläge bei den Temperaturen. Von den Rekorden, die das Jahr 2016 weltweit schreibt - der Juli ist der wärmste je gemessene Juli seit 1880, und das Jahr wird insgesamt wohl das heißeste aller Zeiten werden - war wenig zu spüren. Hierzulande trat die Hitze erst Ende August ein und sorgte für einen ungewöhnlich warmen September. Auch die Niederschläge verhielten sich "unauffällig", wie der Wetterdienst bei der Vorstellung einer ersten Bilanz sagte. Wenn da nicht der Frühsommer gewesen wäre.Ein Tief namens Mitteleuropa

Da lag erst das Tief Elvira stabil über Deutschland, danach das Tief Friederike. Beide schaufelten warme, feuchte Luft aus dem Mittelmeer nach Norden, die sich dort abregnete. Das Besondere: Die Tiefs bewegten sich kaum von der Stelle - mit der Folge, dass der Regen sich nicht verteilte, sondern örtlich stark werden konnte. Auch tauchten immer wieder starke Gewitterzellen auf, wie Popcorn im Ofen. Das führte örtlich zu Niederschlagsmengen von bis zu 100 Litern pro Tag und Quadratmeter. Konsequenz: Katastrophengefahr.

Der Deutsche Wetterdienst nennt als Hintergrund eine Kombination aus Klimawandel und dem Wetterphänomen El Niño im Pazifik, das global in regelmäßigen Abständen für Verschiebungen der Luftströmungen sorgt. Die Wetterlage nennt sich "Tief Mitteleuropa". Sie ist bekannt, aber eher selten. Die Projektion der Klimaexperten geht davon aus, dass sie künftig häufiger auftreten wird, etwa sieben Tage im Jahr mehr als bisher.

Zwar werde das nicht gradlinig verlaufen, "aber Katastrophen werden sich häufen, und die Intensität nimmt zu", so der Vizepräsident der Wetter-Behörde, Paul Becker. "Das kann an jedem Ort auftreten." Tornados, Hitzewellen in den Städten, Schneemangel in den Alpen und Dürren sind weitere Phänomene, die der Klimawandel nach Deutschland bringt. Schon der bisherige Schaden im Jahr 2016 wird auf 2,6 Milliarden Euro geschätzt.

Was tun? Maria Krautzberger vom Umweltbundesamt hält neben internationaler Klimapolitik die Vorsorge durch Städte und Landkreise für unabdingbar. Das von ihr empfohlene Konzept heißt "Schwammstadt". Die Kommunen sollen bei Planung und Bau darauf achten, dass Wassermassen versickern können oder sich in Senken und auf Sportplätzen sammeln. Krautzberger verwies auf das Beispiel Hamburg, das versucht, mit Dachbegrünungen die Fließgeschwindigkeit zu verringern.

Unmittelbar nach den Flutkatastrophen des Frühjahrs hatte der Verband Kommunaler Unternehmen gefordert, solche Wetterphänomene in Bau und Planung stärker einzubeziehen. Auch jeder Hausbesitzer sei nicht von Verantwortung frei, so Becker. Das beginne damit, dass Haustüren Schwellen haben müssten, die hoch genug sind: "Wir brauchen eine neue Kultur im Umgang mit Naturgefahren." wk

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort