Wenn Kinder Blut an den Händen haben

Trier/Welschbillig · 391 minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge sind 2014 in Rheinland-Pfalz in Obhut genommen worden. Einige von ihnen haben von der Angst berichtet, in ihrer afrikanischen Heimat Kindersoldat zu werden.

 1300 solcher Rote-Hände-Petitionen hat Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen entgegengenommen. Er wird sie an die Bundesregierung weiterreichen. TV-Foto: Friedemann Vetter

1300 solcher Rote-Hände-Petitionen hat Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen entgegengenommen. Er wird sie an die Bundesregierung weiterreichen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier/Welschbillig. 250 000 Mädchen und Jungen werden weltweit für kriegerische und kriminelle Ziele von Erwachsenen missbraucht. Auch in Syrien, Afghanistan, Eritrea, in Kolumbien und im Kongo werden Kinder gezwungen, mit Waffen zu kämpfen. Auf der Flucht vor dem Grauen und der Gewalt kommen manche Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis nach Deutschland. "Wir hatten vor einigen Wochen junge Männer aus Eritrea, bei denen das Thema Kindersoldaten definitiv eine Rolle gespielt hat", sagt ein Mitarbeiter der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) in Trier.
Bernhard Jocher, Leiter der AfA-Außenstelle im Stadtteil Euren, bestätigt das: "Bei den Flüchtlingen aus Eritrea sind viele dabei, die sich dem Einzug zur Armee oder zu paramilitärischen Gruppen entzogen haben." Wie viele das sind, kann er ebensowenig sagen wie AfA-Chef Frank-Peter Wagner, der zwar von zwangsrekrutierten Kindern in Syrien gehört hat, dies aber aus Erkenntnissen seiner Einrichtung nicht bestätigen kann. Denn nur wenn sich die Flüchtlinge - die oft stark traumatisiert sind - selbst offenbaren, wird überhaupt ein solcher Hintergrund bekannt.
"Wir hatten mit dem Problem der Kindersoldaten vor allem zu tun, als die Aufnahmestelle noch für Flüchtlinge aus Ruanda und Sierra Leone zuständig war", sagt Wagner. "Damals berichteten uns Flüchtlinge, dass im Bürgerkrieg zwischen Hutu und Tutsi Schulen überfallen wurden. Den Kindern wurden die Hände abgehackt, oder sie wurden zu Soldaten zwangsrekrutiert."
Derzeit ist die AfA Trier im bundesweiten Netz der Aufnahmestellen nur dann für Flüchtlinge aus Afrika zuständig, wenn diese aus Eritrea, Somalia oder Äquatorial Neuguinea kommen. Der Winter und die stürmische See im Mittelmeer sorgen dafür, dass die Zahl der Flüchtlinge von dort in diesen Monaten eher gering ist. "Zurzeit stammt die Hälfte der Asylbegehrenden bei uns aus Kosovo und Albanien. Ein Drittel kommt aus Syrien."Intensive Betreuung


Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die es bis nach Rheinland-Pfalz schaffen, ist vergleichsweise gering. 391 waren es nach Auskunft der Landesregierung im vergangenen Jahr. Die Jugendlichen werden intensiver betreut als Erwachsene (siehe Extra). Zunächst werden sie vom Jugendamt der Stadt Trier in Obhut genommen. Nach einer sogenannten Clearingphase werden die jungen Flüchtlinge auf stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe im Land verteilt. Verantwortlich dafür ist das Jugendhilfezentrum Don Bosco bei Welschbillig (Kreis Trier-Saarburg). "Aktuell betreuen wir keine Kinder und Jugendlichen, bei denen das Thema Kindersoldaten eine Rolle spielt", sagt Bereichsleiter Marcel Weinand. "Wir hatten aber vor einigen Wochen schon den einen oder anderen, der so etwas angedeutet hat."
Dass unter den jungen Flüchtlingen auch solche sind, die als Kindersoldaten kämpfen mussten, wird von den Experten allerdings kaum bezweifelt. "Die Brennpunkte werden nicht weniger und rücken immer näher", sagt Sabine Mocke von der Lokalen Agenda 21, die in Trier den regionalen Red Hand Day organisiert. Der internationale Aktionstag gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten ist zwar heute. Wegen des Karnevals hat Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen aber bereits gestern fast 1300 "rote Hände" als Zeichen des Protests gegen Waffen in Kinderhänden entgegengenommen. Er versprach, diese an die Bundesregierung weiterzuleiten. Jensen: "Es ist wichtig, dass sich auch die Menschen in der Region Trier engagieren. Deutschland wäscht seine Hände nicht in Unschuld. Die Reduzierung der Rüstungsexporte ist aber zumindest ein gutes Zeichen."
Eine Reportage über Kindersoldaten in Afrika finden Sie unter www.volksfreund.de/extraExtra

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben nach internationalen Konventionen und nationalen Regelungen Anspruch auf besonderen Schutz. Sie finden zunächst nicht in Erstaufnahmeeinrichtungen, sondern in einem sogenannten Clearinghaus Unterkunft. Dort wird ihre persönliche und gesundheitliche Situation geprüft. Zudem werden sie während ihres Aufenthalts dort individuell von Fachpersonal betreut. Es geht auch darum, gemeinsam Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Es wird versucht, eventuell in Deutschland lebende Verwandte ausfindig zu machen. Nach bis zu drei Monaten Aufenthalt im Clearinghaus werden die Jugendlichen in anerkannten Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht. In Rheinland-Pfalz sind das Jugendhilfezentrum Don Bosco Helenenberg bei Welschbillig (Kreis Trier-Saarburg) mit einer Außenstelle in Trier sowie die Diakonie Bad Kreuznach Träger von Clearinghäusern. r.n.

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