Wenn Opfer zu Tätern werden

Die Opfer werden immer jünger, die Täter immer brutaler: Selbst kleine Kinder werden von Sadisten missbraucht. Eine Fachtagung in Trier hat sich mit Folgen von Gewalttaten beschäftigt.

 Gedemütigt und gequält: Sadistische Täter finden Befriedigung darin, ihre Opfer zu erniedrigen und in Todesangt zu versetzen. Oft sind die Verbrecher selbst früher Opfer gewesen. TV-Fotos: Archiv/Friedeman Vetter

Gedemütigt und gequält: Sadistische Täter finden Befriedigung darin, ihre Opfer zu erniedrigen und in Todesangt zu versetzen. Oft sind die Verbrecher selbst früher Opfer gewesen. TV-Fotos: Archiv/Friedeman Vetter

Trier. "Wenn wir Täter verhindern wollen, müssen wir verhindern, dass sie zuvor zu Opfern werden." Michaela Huberts These klingt zunächst verwirrend. Doch die renommierte Göttinger Psychotherapeutin Michaela Huber ist davon überzeugt, dass fast alle Sexualstraftäter zuvor selbst Opfer von Gewalt und Demütigen gewesen sind. "Unsere Gefängnisse sind voll von Tätern, die selbst Gewalt erfahren haben", sagt die 58-Jährige bei einer Fachtagung zum Thema Psychotraumatologie in Trier. Im Mittelpunkt der zweitägigen Expertenrunde haben die Auswirkungen unterschiedlicher Formen von Gewalt und der Umgang mit Opfern und Tätern gestanden. 140 Fachleute haben daran teilgenommen.

Huber gilt als Deutschlands wichtigste Psychotraumatologin. Sie hilft vor allem Opfern von sadistischer Gewalt, die von brutalen Tätern fast zu Tode gequält worden sind. Täter, die damit ihre sexuelle Lust befriedigen. Die meisten dieser Sadisten, sagt Huber, seien Gelegenheitstäter, weil sie einmal perverse Sex-Praktiken "ausprobieren" wollten. Oft stammen diese Fantasien aus dem Internet. Nicht nur dass dort Sex in allen Varianten mehr oder weniger frei zugänglich sei - 80 Prozent der Jugendlichen haben laut der Expertin schon Pornos im Netz geschaut. Die auf vielen Seiten dargestellten Praktiken würden auch immer brutaler, sagt Huber. "Viele Nutzer solcher Seiten mögen immer härtere Bilder und Filme." Und für die sind zumeist Kinder missbraucht und brutal gequält geworden. Oft sogar kleine Kinder. Die Opfer, sagt Huber, würden immer jünger. Weil die Täter immer wieder nach einem neuen Kick suchen würden. Die Opfer dafür würden regelrecht zugerichtet, oft sogar von Familienmitgliedern, nicht selten auch von den eigenen Eltern. Sie würden ihre Kinder im Internet in speziellen Foren anbieten und von den Tätern Geld kassieren. Viele der Opfer würden dabei Todesangst durchleben und ein Leben lang unter dem Erlebten leiden, oft sogar mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen. Falls sie den Ausstieg überhaupt schaffen würden. Aus Angst vor den Tätern würden viele immer wieder zu ihnen zurückkehren und sich weiter quälen und erniedrigen lassen. Nicht wenige würden danach unter Persönlichkeitsstörungen leiden und hätten ständige Selbstmordgedanken. Ein normaler Alltag sei für sie nicht mehr möglich. Extra Ein Psychotrauma ist eine seelische Wunde. Es ist oft Folge von Ereignissen, bei denen die Betroffenen extreme Angst und Hilflosigkeit erlebt haben. Zumeist sind die Betroffenen mit der Verarbeitung des Erlebten überfordert. Die Psychotraumatologie als Zweig der Psychotherapie befasst sich mit der Erforschung und Behandlung seelischer Verwundungen. Seit einem Jahr gibt es in Trier ein Psychotraumanetzwerk, das zu einer besseren Versorgung der Betroffenen beitragen will. Das Netzwerk war auch Veranstalter der Fachtagung. (wie)

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