Reform des Urheberrechts Wer Inhalte im Netz abgreift, soll zahlen - Google, Facebook & Co. wehren sich

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger zur Reform des Urheberrechts.

Hier fällt die Entscheidung zum Urheberrecht: Europafahnen und Nationalfahnen der EU-Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Hier fällt die Entscheidung zum Urheberrecht: Europafahnen und Nationalfahnen der EU-Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Es ist eigentlich ein ganz normaler Vorgang: Die EU-Abgeordneten stimmen diese Woche über eine Reform des Urheberrechts ab. Alles ist vorbereitet. Vier Fachausschüsse haben intensiv diskutiert und sich für eine Stärkung der Rechte der Kultur- und Medienschaffenden ausgesprochen. Gewöhnlich folgt das Plenum des Parlaments einem vorher abgestimmten Bericht. Diesmal könnte es anders kommen.

Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft, Twitter – die Hausherren des Internets stemmen sich wuchtig gegen das Reformvorhaben. Sie lassen sich dabei durch ihren Verband EDiMA in Brüssel vertreten. In Vergleich zu dieser geballten digitalen Macht und Wirtschaftskraft erscheinen selbst die großen europäischen Medienhäuser wie kleine Tante-Emma-Läden. Die Verlage haben allerdings die qualitätsvollen journalistischen Inhalte – relevant, glaubwürdig und ohne Fake News. Diese Inhalte möchten die US-Giganten gerne weiterhin ohne Bezahlung abgreifen und damit Geld verdienen.

Die Strategie von Google, Facebook & Co. ist es, ihre Nutzer so lange wie möglich auf der eigenen Plattform zu halten. Nur so können sie die Menge an Daten über die jeweiligen Nutzer steigern– die Daten lassen sich in der Werbewelt versilbern. Im Bereich der Nachrichten werden von ihnen deshalb nicht bloß die Links, sondern zusätzlich textliche Anreißer der Webseiten der Zeitungen oder Zeitschriften abgegriffen und zusammengestellt. Nach einer Studie der EU-Kommission reicht über der Hälfte der Nutzer eine solche Übersicht zur Information aus – sie klicken nicht mehr auf die jeweiligen Links durch. So entsteht den Suchmaschinen ein Mehrwert auf Kosten der Verlage.

Diese Schieflage soll jetzt durch das sogenannte Leistungsschutzrecht im Rahmen der Urheberrechtsreform europaweit begradigt werden. Im Bereich Film, Fernsehen und Musik ist dies schon vor Jahren erfolgt. Wer Zeitungsinhalte abgreift und kommerziell verwertet, der soll dem Verlag einen Ausgleich zahlen. Die Journalisten erhalten dabei auch einen Anteil. Für die Verbraucher ändert sich nichts. Reine Links können weiter frei genutzt werden. Für die praktische Umsetzung stehen zum Beispiel gesetzlich geregelte Verwertungsgesellschaften bereit, die insbesondere den kleinen und mittleren Verlagen helfen könnten, das Geld von großen Suchmaschinen tatsächlich zu bekommen. Über die Angemessenheit des zu zahlenden Betrages an Verwertungsgesellschaften wacht bei uns das Deutsche Patent- und Markenamt. Durch die gewährte Angemessenheit werden auch Start-Ups bei einer Zahlungspflicht nicht in ihrer Entwicklung behindert.

In Deutschland wurde bereits ein Leistungsschutzrecht eingeführt. Der Monopolist Google verweigert aber jegliche Zahlung. Die Verwertungsgesellschaft klagt derzeit vor Gericht. So verschafft sich Google Zeit. Aus dieser Erfahrung weiß der US-Riese, dass es aus seiner Sicht besser ist, ein solches Gesetz von vornherein zu verhindern.

Ganze Heerscharen an Netzaktivisten und Roboter erledigen die Lobbyarbeit für die US-Konzerne. „Wir werden derzeit zugemüllt mit E-Mails gegen das Leistungsschutzrecht,“ drang es letzte Woche aus den Parlamentsbüros. Von bis zu 40 000 Mails pro Tag sprechen einzelne Abgeordnete. Auf Twitter sammeln sich derzeit Hass- und Gewaltbotschaften an die agierenden Politiker. Die marktbeherrschenden Plattformen haben sich ihr geschlossenes System im Internet aufgebaut. Immer mehr Milliarden Dollar spült es jährlich in ihre Kassen. Sie beeinflussen Meinungen, Kaufentscheidungen und Wählerverhalten. Sie sorgen damit für eine veränderte Kommunikations-Infrastruktur auch in Europa. Das ist zugleich eine Operation am Nerv der Demokratie.

Wenn die gemeinsame europäische Politik den Anspruch hat, die bewährten Säulen der Demokratie zu schützen, dann kommt sie nicht umhin, das Öko-System des Internets ordnungspolitisch und ausgleichend mitzugestalten. Dazu ist jetzt bei der Reform des europäischen Urheberrechts die Gelegenheit. Gefragt sind europaweite und durchsetzbare Gesetze, denen sich niemand, auch nicht US-Giganten, verweigern können. Andernfalls bestätigt es America First – mit Hilfe der Europäer.

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