"Wer ist schon so blöd und filmt sich selbst?!"

Seit gestern ist es amtlich: In dem bundesweit für Aufsehen sorgenden Fall des mutmaßlichen Kinderschänders Chri stoph G. hat die Trierer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Der in Untersuchungshaft sitzende 37-Jährige wird sich somit auch in Trier vor Gericht verantworten müssen. Erst vor eineinhalb Jahren hatte ihn ein anderes Gericht wegen des Besitzes von Kinderpornos zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Trier. Es ist ein spektakulärer, ein ekelerregender Fall, der Trier derzeit bundesweit in die Medien bringt: Ein 37-jähriger Mann aus Mayen wurde festgenommen, nachdem das Bundeskriminalamt über die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY … ungelöst" nach dem zunächst noch unbekannten Mann gefahndet hatte. Mit (natürlich zensierten) Ausschnitten aus einem Film, in dem die Vergewaltigung zweier etwa sieben Jahre alten Jungen zu sehen ist. Inzwischen ist klar, wer die beiden Kinder sind. Aber auch ihr mutmaßlicher Peiniger ist identifiziert: Christoph G., ein zuletzt im bayerischen Sonthofen als Saisonkellner arbeitender Mann aus Mayen. Er stellte sich nach der Sendung selbst der Polizei.

Erst später kam heraus, dass ausgerechnet Trierer Ermittler den 37-Jährigen schon einmal im Visier hatten - wegen möglichen Missbrauchs eben jener beiden Zwillingsbrüder, die auch auf dem "Aktenzeichen"-Film zu sehen sind.

Die beiden Jungs lebten mit ihren Eltern und drei Geschwistern bis vor kurzem in einem kleinen Ort in der Verbandsgemeinde Kelberg. Christoph G. war dort des Öfteren "zu Besuch". Als ein Nachbar 2006 durch seinen Sohn von angeblichen "Pipimännchen-Geschichten" der Nachbarskinder erfuhr, informierte er die Polizei. Die ermittelte auch gegen Christoph G., doch das Verfahren wurde später eingestellt. Die beiden mutmaßlichen Opfer hätten ihre ursprünglich gemachten Aussagen später widerrufen, rechtfertigte der zuständige Staatsanwalt Stephane Parent gestern den Einstellungsbeschluss. Und ein psychologischer Sachverständiger, der sich intensiv mit den beiden Jungen befasst habe, "konnte deren Glaubhaftigkeit weder bestätigen noch in Zweifel ziehen".

"Damit war eine Anklage des Mannes unrealistisch", meint auch Parents Chef, der Leitende Trierer Oberstaatsanwalt Jürgen Brauer. Er hatte für gestern eigens eine Pressekonferenz angesetzt, um das große Interesse der Medien an dem Missbrauchsfall zu kanalisieren - ein Novum in Trier.

Dass Brauers Behörde das Verfahren gegen Christoph G. vor drei Jahren eingestellt hat, wäre vermutlich leichter zu erklären, hätte es nicht wenige Monate später einen neuen Vorfall gegeben, der dem Mayener seinerzeit sogar eine neunmonatige Bewährungsstrafe einbrachte. Auf der Festplatte von Christoph G.'s Computer entdeckten Fahnder Kinderpornos, die er sich aus dem Internet runtergeladen hatte. Hätte nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt das Trierer Verfahren wieder aufgenommen werden müssen? "Nur ein verschwindend geringer Anteil der Pädophilen produziert auch selbst derartiges Material", sagt der Mayener Kripo-Chef Paul Wehner. "Hätten wir Anzeichen dafür gehabt, dass die Zwillingsbrüder damals gefilmt wurden, wäre die Wohnung von Christoph G. natürlich durchsucht worden", meint auch Triers Leitender Oberstaatsanwalt Brauer, der sich noch immer wundert, "dass jemand so blöd ist und sich selbst dabei filmt".

Wäre Christoph G. auf den sichergestellten Videos nicht selbst zu sehen gewesen, würde der 37-Jährige wohl noch immer im Allgäu kellnern. Nach seiner Festnahme wird er demnächst in ein rheinland-pfälzisches Gefängnis verlegt werden. Wann ihm in Trier der Prozess gemacht wird, ist noch offen. Viel hängt auch davon ab, ob der mutmaßliche Kinderschänder sein Schweigen bricht. "Wenn er ein Geständnis ablegt, müssen die beiden Zwillingsbrüder nicht aussagen", sagt Chef-Ermittler Jürgen Brauer.

Die inzwischen elf Jahre alten Jungen leben mit ihrem Vater und drei Geschwistern mittlerweile im Kreis Cochem-Zell. Sie seien "verhaltensauffällig" und würden vom dortigen Jugendamt sowie Sozialpädagogen und Psychologen betreut, sagte gestern eine Sprecherin des Kreises dem TV. Ob den Eltern das Sorgerecht entzogen wird, ist juristisch immer noch nicht endgültig geklärt.

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