Wer kann den Hahn retten? - Ungelöste Rätsel um geplatzten Verkauf des Flughafens - Zweites Bieterverfahren beendet

Mainz · Vor einem Monat ist der Verkauf des Flughafens Hahn an die chinesische SYT geplatzt. Noch immer gibt es aber unbeantwortete Fragen. Angeblich gibt es neue Interessenten für den Flughafen. Das zweite Bieterverfahren ist gestern zu Ende gegangen.

 Wer kauft den Flughafen Hahn? Gestern ist das zweite Bieterverfahren zu Ende gegangen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wer kauft den Flughafen Hahn? Gestern ist das zweite Bieterverfahren zu Ende gegangen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: klaus kimmling (g_pol3 )

Mainz. Jörn Weber ist froh, dass es das Debakel um den Flughafen Hahn gibt. "Endlich", sagt der ehemalige Kriminalist, "liefert Rheinland-Pfalz wieder ein neues Beispiel, wie man es nicht macht." Wenn Weber, der sich als Privatermittler auf Wirtschaftsbetrug spezialisiert hat, neue Kunden wirbt, hat er, wie er sagt, bislang immer als Beispiel den misslungenen Verkauf des Nürburgrings genannt. "Das ist aber schon so lange her", sagt Weber, Inhaber des Unternehmens Corma für Wirtschaftsermittlungen im nordrhein-westfälischen Brügge. Das Hahn-Debakel sei aktueller - und eigne sich daher besser, um zu zeigen, wie wichtig umfassende Wirtschaftsermittlungen seien. Eine bessere Werbung könne er nicht bekommen, meint Weber süffisant.

Und weil er wissen wollte, warum Rheinland-Pfalz auf die angeblichen Käufer des Flughafens Hahn hereingefallen ist, hat er sich eingehend mit dem Prüfbericht, den die Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG im Auftrag des Landes über die Investorengruppe SYT angefertigt hat, beschäftigt. Sein Fazit: "Da steckt kein Herzblut drin. KPGM hat einen standardisierten Prüfbericht abgeliefert, mehr nicht." Es fehlten wichtige Angaben, etwa über die Quellen, wo die Wirtschaftsprüfer recherchiert haben, es werde nicht klar, in welcher Beziehung die einzelnen angeblichen Gesellschafter zueinander stünden. Auch, so vermutet Weber, habe KPMG offenbar nicht in sozialen Netzwerken recherchiert, etwa in Facebook.

Zumindest bei einem der angeblichen Gesellschafter, dem schillernden Kyle Wang, hätten allein schon beim Betrachten seiner Facebook-Seite Zweifel an dessen Seriosität aufkommen müssen. Auf einem von Wang geposteten Foto, das angeblich zwei Tage vor dem Abschluss des Kaufvertrages für den Hahn gemacht worden ist, sind auf einem Flipchart unter dem anderem die Worte "bank guarantee" (Bank-Garantie) zu lesen. "Da hätte man sich drum kümmern müssen", sagt Weber. Zumal das Land SYT ja vorwirft, falsche Bankbelege vorgelegt und so Liquidität vorgetäuscht zu haben.

Auch das für den Hahn-Verkauf zuständige Innenministerium hat sich offenbar vor Vertragsabschluss kein eigenes Bild über seine Vertragspartner gemacht. Erst nach der Unterzeichnung am 3. Juni sei man auf die Facebook-Seite von Wang aufmerksam geworden, sagt ein Ministeriumssprecher. Offenbar hat man im Innenministerium die KPMG, die für die Ausschreibung, das Bieterverfahren, die Überprüfung der Interessenten und den eigentlichen Verkauf immerhin 6,25 Millionen Euro vom Land bekommen habe, blind vertraut. Weber sieht in der Übertragung des kompletten Verkaufsverfahrens und der Überprüfung der Bieter durch die Wirtschaftsprüfer einen Interessenkonflikt. Der wiederum womöglich dazu geführt hat, dass vielleicht nicht so genau geprüft worden ist, um den einzigen verbleibenden Interessenten nicht vorzeitig aus dem Rennen zu werfen.
Der Wirtschaftsdetektiv glaubt nicht, dass der Prüfbericht, der Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD) überreicht wurde, wirklich gelesen worden ist. Ansonsten, so Weber, hätte das Land sich nicht für SYT als Käufer entscheiden dürfen. Selbst in dem aus seiner Sicht unvollständigen Report habe es jede Menge Warn-Hinweise gegeben, die gegen den Investor gesprochen hätten. KMPG habe vor Vertragsunterzeichnung keine "konkreten Handlungsempfehlungen" gehabt, sagt der Ministeriumssprecher.

Die Berater hätten auf Unstimmigkeiten hinweisen müssen, etwa dass man die von SYT angegebenen Firmenadressen in Shanghai nicht überprüft habe, sagt Weber. "Meines Erachtens hätte der Zuschlag nicht ohne eine eingehende Prüfung des Unternehmens, seines Geschäftes und seiner Expertise erfolgen dürfen", sagt auch China-Experte Hermann Meller von der weltweit tätigen Anwaltskanzlei Dentons. "Es handelt sich bei SYT um ein Vehikel, hinter dem, wenn überhaupt, ein wohlhabender Privatmann steht." Meller ist allerdings nicht ganz unbefangen in Sachen Hahn. Er hat selbst zwei chinesische Bieter vertreten, die den Flughafen im ersten Verfahren kaufen wollten. "Bevor diese Unternehmen in eine nähere Prüfung des Projektes eintreten konnten, erfolgte der Zuschlag an SYT", sagt Meller. Um welche Unternehmen es sich handelt und ob diese nun im gestern zu Ende gegangenen erneuten Bieterverfahren wieder dabei gewesen sind, will er nicht sagen.

"Es gebe mehrere Interessenten", teilte der Sprecher des Innenministeriums gestern mit. KPMG sichte und bewerte nun die eingegangenen Interessenbekundungen, sagte Innenminister Roger Lewentz (SPD). Obwohl das Land wegen angeblich mangelhafter Beratung der Wirtschaftsprüfer eine Schadenersatzklage prüft, setzt man im zweiten Versuch, den möglicherweise kurz vor der Insolvenz stehenden Hahn doch noch zu verkaufen, erneut auf KPMG. Das Unternehmen hat sich nach Informationen unserer Zeitung in einer Stellungnahme gegenüber der Landesregierung zu den Vorwürfen geäußert. Öffentlich machen dürfen sie diese Stellungnahme aber nicht, weil der Innenminister die Berater nicht von ihrer Schweigepflicht entbinde.

So bleiben auch weiterhin wesentliche Vertragsdetails zwischen dem Land und SYT im Verborgenen. Geplatzt ist der Verkauf letztlich, weil die angeblichen Investoren nicht - wie von beiden Seiten schriftlich vereinbart - bis 10. Juni den vollen Kaufpreis für Grundstücke außerhalb des Flughafens überwiesen haben. Rund 3,5 Millionen Euro sollte SYT für die sogenannte Housing zahlen. Warum eine Vorabzahlung seitens der Chinesen vereinbart worden ist, erscheint rätselhaft. Für den Kauf der rheinland-pfälzischen Anteile am Hahn, für die SYT rund 13 Millionen Euro zahlen wollte, hat eine Zahlungsfrist bis Ende Oktober bestanden.

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