Wer lange wartet, wird belohnt

TRIER. Nach einem spannenden Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Griechenland, Lettland, der Schweiz und Malta, setzte sich Helena Paparizou mit dem Titel "My Number One" für Griechenland durch.

Zum ersten Mal geht der Eurovision Song Contest auf die hellenische Halbinsel. Schlusslicht war Deutschlands Sängerin Gracia, die nur vier Punkte mit nach Hause bringt, zwei davon stammen aus Moldavien, die anderen beiden aus Monaco. Rund 100 Millionen Zuschauer verfolgten die Live-Übertragung aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Nach den Erfolgen osteuropäischer Staaten wie Estland, Lettland oder der Ukraine in den vergangenen Jahren setzte sich der Trend hin zu Europop-Songs, gewürzt mit leicht folkloristischen Einschlägen der jeweiligen Herkunftsländer durch. Moldaviens Gruppe "Zdob si Zdub" verblüffte die Zuschauer mit einer trommelnden Oma, die zwischen einer punkigen Boygroup einherschritt. Die türkische Sängerin Gülseren trat in die Ethno-Pop-Fußstapfen ihrer Vorgängerin Sertab Ebener, die vor zwei Jahren den Contest gewann. Sie bot eine furiose orientalische Tanz-Show. Rumäniens Sängerin Luminita Anghel beeindruckte mit Blech-Trommlern und aufwändigen Kostümen. "Greenjolly" aus der Ukraine rappte den Song "Razom Nas Bahato", der die friedliche Revolution im Winter vergangenen Jahres begleitete. Griechenlands Sängerin Helena Paparizou setzte ebenfalls auf Ethno-Pop. Aus der Reihe fielen Natalia Podolskaya aus Russland mit einer geradlinigen, gitarren-betonten Rock-Nummer, und Shiri aus Israel mit einer eingängigen Ballade. Wer einen Ulk-Sänger in Kiew erwartete, wurde hingegen enttäuscht: Keine Stefan Raabs oder Guildo Horns waren zu sehen. Überhaupt hatte der ukrainische Contest eine stärkere politische Note. Erstmals in der Geschichte des Eurovision Song Contests zeigte sich ein Staatsoberhaupt, um der Gewinnerin einen Sonderpreis zu überreichen. Viktor Juschtschenko, Präsident der Ukraine, übergab Helena Paparizou eine Statue, die ein vereintes Europa symbolisiert – die Eigenwerbung wundert kaum, hat Juschtschenko doch starke Ambitionen, sein Land in die Europäische Union zu führen. Die bestehenden "Punkte-Connections" bestätigten sich aufs Neue. Skandinavische Staaten gaben sich gegenseitig hohe Wertungen ebenso wie die Staaten auf dem Balkan oder im Baltikum. Überraschend: Die Türkei gab die Höchstzahl zwölf Punkte an das traditionell verfeindete Griechenland. Wer hingegen weit abgeschlagen die Schlusspositionen besetzte, waren die eigentlichen Gründerländer des Eurovision Song Contests. Großbritannien, Frankreich und zuletzt Deutschland. Ihre Position kann kaum an der künstlerischen Qualität der Interpreten gelegen haben. Javine aus Großbritannien beeindruckte mit einer hoch-professionellen R&B-Nummer in bester "Destinys-Child-Tradition". Die französische Sängerin Ortal ist ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Sie hat schon mehrere CDs produziert und tritt oft in der Pariser Club-Szene auf. Und Gracias stimmliche Qualitäten ließen auch kaum zu wünschen übrig. Vielleicht haben ja die entsprechenden "Connections" gefehlt. "Wir können stolz nach Hause fahren"

Gracias letzter Platz hat nach Auffassung der deutschen Organisatoren nichts mit dem Vorwurf der Chart-Manipulation durch massenhafte CD-Käufe zu tun. "Der Titel ist nicht angekommen", sagte der NDR-Unterhaltungschef Jürgen Meier-Beer. Die Kritik an Gracias Nominierung sei in Kiew weitgehend unbekannt gewesen. Auch Gracias Manager David Brandes brauche sich als Komponist für seinen Rocksong "Run & Hide" nicht zu schämen. "Ihr habt das Lied gewählt. Und ich glaube, wir haben euch trotzdem so vertreten, dass wir stolz nach Hause fahren können", sagte Gracia den Zuschauern der Grand-Prix-Show kurz nach Ende des Eurovision Song Contest. Meier-Beer sah in Deutschland eine Kampagne gegen Gracia am Werk und fragte deshalb: "Wie soll ein Land gewinnen, das nicht gewinnen will?"

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