Wer mehr hatte, bekommt weniger

Bei der Berechnung ihrer Honorare blicken selbst die Mediziner kaum noch durch. Erst Monate nach Ende eines Quartals erfahren sie, was sie verdient haben.

Trier. RLV=Fallwert der Arztgruppe mal Fallzahl des Arztes mal Altersfaktor. Das ist die Formel, die die niedergelassenen Ärzte seit Anfang des Jahres beherrschen müssen. Damit berechnet sich nämlich das, was sie für sogenannte Regelleistungen, also die notwendigen Behandlungen, erhalten. Dieses Regelleistungsvolumen (RLV) deckt die Mehrzahl der von den Kassen bezahlten Leistungen ab. Der Fallwert wird jedes Quartal neu berechnet. Er setzt sich zusammen aus der gesamten Honorarsumme für die jeweilige Arztgruppe, die umgelegt wird auf die Zahl der behandelten Patienten im gleichen Quartal vor einem Jahr. Der Altersfaktor berücksichtigt das Alter der behandelten Patienten und den damit verbundenen unterschiedlichen Aufwand.

Ein Rechenbeispiel: Ein Hausarzt hatte im Vorjahresquartal 800 Behandlungsfälle, der Fallwert seiner Arztgruppe beträgt aktuell 35 Euro pro Patient, der Altersfaktor liegt bei 1,1 (was ein Indikator für besonders viele Rentner ist). Daraus ergibt sich nach der Berechnungsformel ein Regelleistungsvolumen von 30 800 Euro, die ihm in dem Quartal für seine Patienten zur Verfügung stehen. Leistungen, die nicht in das RLV fallen, wie etwa Hautkrebs-Untersuchungen, kann er extra abrechnen.

Das Geld wird von den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) an die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in der Region verteilt. Jeder Arzt muss am Ende des Quartals seine erbrachten Leistungen mit seiner KV abrechnen. Allerdings, so beschweren sich die Kassenärztlichen Vereinigungen, bestimmten die Krankenkassen bei den Honorarverhandlungen wie das Geld unter den Ärzten verteilt werde.

Bis die jeweiligen Quartalsabrechnungen vorliegen, vergehen in der Regel drei Monate. Das heißt: Erst dann erfahren die Ärzte, was sie Anfang des Jahres verdient haben. Eigentlich sollte durch die Honorar-Reform eine bundeseinheitliche Vergütung ärztlicher Leistungen in Cent und Euro eingeführt werden. Allerdings profitieren davon in erster Linie die Ärzte in Regionen, in denen die Honorare bislang niedriger waren, also etwa in Ostdeutschland. Für Ärzte, die bereits höhere Honorare bekommen hatten, fällt der Zuwachs dementsprechend geringer aus, weil die Gesamtvergütung für die Ärzte begrenzt ist. Das erklärt, warum in Rheinland-Pfalz das Plus geringer ist als etwa in Berlin.

Außerdem, so der rheinland-pfälzische KV-Vorsitzende Günter Gerhardt, habe es im ersten Quartal 20 000 weniger gesetzlich Versicherte im Land gegeben als zwei Jahre zuvor. Und im gleichen Zeitraum seien viele zuvor bei der AOK Versicherte zur bis Ende vergangenen Jahres noch günstigeren IKK Südwest Direkt gewechselt. Die IKK bezahle der KV aber pro Versichertem nur eine Pauschale von rund 60 Euro, die AOK 92 Euro. Beides habe dazu geführt, dass der KV rund sechs Millionen Euro im ersten Quartal verlorengegangen seien. Geld, das bei den Honoraren gefehlt habe, sagt Gerhardt. "Es kann ja nicht Sinn einer Reform sein, dass weniger Geld zu verteilen ist als vorher", ärgert sich der KV-Chef.

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