Wer sind die virtuellen Killer?

TRIER/BERLIN. Was macht ein Computer- oder Video-Spiel zum Killer-Spiel? Im Koalitionsvertrag taucht dieser Begriff zwar auf, doch es bleibt offen, was genau darunter zu verstehen ist. In Industrie und Politik gehen die Meinungen sehr weit auseinander.

Sie heißen Doom, Quake, Far Cry, F.E.A.R., Half-Life oder Counter-Strike: Computer-Spiele, in denen die vom Spieler gesteuerte Figur Geiseln befreit, militärische Operationen zum Erfolg führt oder die Erde vor feindlich gesinnten Invasoren bewahrt. Zentrales Hilfsmittel ist ein riesiges Waffenarsenal von der Pistole bis zum Raketenwerfer. Counter-Strike setzt auf realistische Taktiken und den aktuellen Hintergrund des Terrorismus. Doom oder Quake versetzen den Spieler in einen interaktiven Horror-Film, in dem er monströses Getier aus anderen Dimensionen, von anderen Planeten oder gleich aus der Hölle mit Granaten und Bleisalven aus dem Weg räumt. Wichtiger Bestandteil des Spiels sind die "Multiplayer"-Partien: Die Spieler agieren in Teams mit- und gegeneinander statt allein gegen den Computer. Der Fachjargon der Spieler nennt sie Ego-Shooter, weil man das dreidimensionale Geschehen aus der Ich-Perspektive sieht - und weil geballert wird. Der Sammelbegriff "Ballerspiele" ist deshalb auf breiter Basis akzeptiert, doch mit "Killerspielen" sieht es anders aus. "Es gibt keine Killerspiele", sagt Michael Trier, stellvertretender Chefredakteur des populären Spieletest-Magazins GameStar, im Gespräch mit dem TV. Dieser Begriff stamme weder aus der Spielergemeinschaft noch aus der Industrie. "Der Terminus Killerspiele soll innerhalb der Diskussion Emotionen von vornherein in eine bestimmte Richtung lenken. Wir bemühen uns um eine sachliche und differenzierte Position innerhalb der Medien- und Gewaltdiskussion und um klare Begriffe.""Nicht diskriminierend oder verhetzend"

Computerspiele können zu weit gehen, das stellt Trier nicht in Frage. "Wenn in Spielen Gewalt gegen Wehrlose, Schwächere, Unschuldige ausgeübt oder Folterungen nachgestellt werden, ist die Grenze überschritten. Wie andere Medien auch dürfen Spiele nicht menschenverachtend, diskriminierend oder verhetzend sein." Das Auftauchen des Begriffs Killerspiele im Koalitionsvertrag sei ein Zugeständnis an die Union - das berichten Spiegel Online und GameStar übereinstimmend. 2002 brachte die Union im Bundesrat den Gesetzesentwurf 15/88 ein, der schärfere Regeln und Strafen im Jugendschutz forderte. In diesem Entwurf steht auch die klare Definition eines Killerspiels: "Spiele, bei denen die Tötung oder Verletzung an Mitspielern unter Einsatz von Schusswaffen (...) realistisch simuliert wird." Verwirrenderweise klammerte die Union Computer- und Videospiele ausdrücklich aus, diese seien nicht gemeint. Der Entwurf sei gegen "realistische Gefechtsspiele wie Paintball, Gotcha und Laserdrome" gerichtet. Doch dieser Zug ist längst abgefahren. Spiele dieser Art sind bereits in der Öffentlichkeit verboten und dürfen nur von Erwachsenen gespielt werden. Was also ist ein Killerspiel? Andreas Scheuer, CSU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied der Arbeitsgruppe Jugendschutz, räumte gegenüber GameStar ein, dass auch gewalthaltige und jugendgefährdende Video- und Computerspiele verboten werden sollten. Ein "komplettes Verbot" müsse her, denn "nicht medienkompetenten Eltern" müsse man "einfach helfen". Mit anderen Worten: Weil die Politik die unerlaubte Weitergabe indizierter Erwachsenen-Spiele an Kinder und Jugendliche nicht verhindern kann, müssen diese Spiele generell verboten werden. Eine Indizierung ist dagegen kein Herstellungs-, sondern ein Vermarktungs- und Ausstellungsverbot. Die boomende Spiele-Industrie will logischerweise von Verboten nichts wissen, steht einem effektiveren Jugendschutz aber offen gegenüber. Auf der Games Convention 2006, Europas größter Messe für Computer- und Videospiele, soll ein noch größerer Fokus auf den Jugendschutz sowie auf den Dialog mit Eltern und Lehrern gelegt werden - das sagt Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU).Integrierter Jugendschutz

Malte Behrmann, Geschäftsführer Politik beim Bundesverband der Entwickler von Computerspielen (Game), sieht den Verbotsforderungen des bayerischen Innenministers Beckstein gelassen entgegen. "Die Union hat in Bayern schließlich bewiesen, dass sie eine erfolgreiche Industriepolitik im Mediensektor betreibt."

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