"Wer soll es denn sonst machen?"

TRIER. Wann immer es um Verwaltungsabbau geht, geraten in Rheinland-Pfalz die Mittelbehörden der Landesverwaltung ins Visier. ADD und SGD gelten vor allem bei Kreisen und Kommunen als Hort überflüssiger Bürokratie. Zu Unrecht, meint ADD-Präsident Josef Peter Mertes.

Selbst seine ärgsten Feinde würden Josef Peter Mertes kaum als Bürokraten einstufen. Im Gegenteil: Als der gelernte Lehrer und SPD-Haushälter vor vier Jahren die Leitung der größten Landesbehörde übernahm, fürchteten viele im Kurfürstlichen Palais, der unkonventionelle Politprofi werde die brave Verwaltung gehörig durcheinander wirbeln. Heute bescheinigt Mertes seinem tausendköpfigen Betrieb "ein hohes Maß an Effizienz, viele Synergie-Effekte und eine umfassende Kosten-Leistungs-Rechnung". Sein Fazit: "Wir brauchen keinen McKinsey, wir arbeiten in eigener Regie ständig an einer Verbesserung der Leistung." Das sehen nicht alle so. Der Keller Bürgermeister Werner Angsten sprach für viele Kollegen, als er im Rahmen der Serie "Baustelle Bürokratie" kurzerhand die völlige Auflösung der Mittelbehörden forderte. Beim Städte- und Gemeindebund geht man nicht ganz so weit, stellt aber fest, die Abschaffung der alten Bezirksregierungen und ihre Ersetzung durch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion und die beiden Struktur- und Genehmigungsdirektionen sei eine Mogelpackung: "Passiert ist eigentlich nicht viel", kritisiert Geschäftsführer Reimer Steenbock, keine einzige öffentliche Aufgabe und keine Doppelzuständigkeit sei wirklich abgeschafft worden. Tatsächlich: Auch Mertes bestätigt, dass die ADD in den letzten Jahren sogar noch zusätzliche Aufgaben übernommen hat. Aber das sei nicht Ausfluss bürokratischer Vergrößerungstendenzen, sondern schlichte Notwendigkeit. So ressortiert im Hause Mertes beispielsweise die Zuständigkeit für die Umsetzung der Kampfhundeverordnung, die nach dem Tod eines kleinen Jungen in Hamburg erlassen wurde. "Wer soll es sonst machen?", fragt Mertes. Das gleiche gilt für hunderte von Anfragen zum Thema Ganztagsschule, für die er eine Anlaufstelle eingerichtet hat. "Sollen die alle bei der Ministerin anrufen?" - noch so eine rhetorische Frage. Auch die Stiftungsaufsicht hat die ADD übernommen, für die bis zum letzten Jahr 36 Kreis- und Stadtverwaltungen zuständig waren. "Nicht jede Zentralisierung bedeutet weniger Effektivität", sagt Abteilungsdirektor Otmar Mick. Die ADD sei "nicht die dicke Gouvernante, die alles kontrolliert", bei der Arbeit der Behörde überwiege bei weitem "die Dienstleistungs- und Servicetätigkeit". Josef Peter Mertes macht keinen Hehl daraus, dass er die Kritik der kommunalen Verwaltungschefs für populistisch hält: "Dann sollen die Landräte und Bürgermeister doch mal konkret die Aufgaben benennen, die sie von uns übernehmen wollen." Das klingt kompromisslos. Aber der ADD-Präsident bestreitet nicht, dass manche Verantwortung nach unten delegiert werden könnte. Mehr Pauschalregelungen kann er sich vorstellen, wenn es um Zuschüsse geht, so wie beim Schulbau oder der Feuerwehr. "Dann kann vor Ort entschieden werden, und wir können den Prüfbedarf reduzieren." Auch Abteilungsdirektor Mick bestätigt aus der Praxis, dass es "zu viele und zu differenzierte Normen gibt". Es sei zwingend, "die Notwendigkeit von Regelungen immer wieder zu überprüfen". Aber das, sagen Mick und Mertes übereinstimmend, sei letztlich Sache des Gesetzgebers, an dessen Vorgaben auch die Mittelbehörde gebunden ist. Wenn es um die vielfach geforderte Reduzierung von Aufsichts-Aufgaben und Beteiligungsrechten geht, ist man bei der ADD skeptisch. Immerhin gebe es auch "ein staatliches Lenkungs-Interesse", betont Mertes etwa im Hinblick auf die Ausweisung von Wohngebieten. Schaffe man dort Einwendungsmöglichkeiten ab, "dann macht jeder sein neues Baugebiet vor der Tür und lässt innerorts die Baulücken leer stehen". Gerade bei umstrittenen Maßnahmen, ergänzt Otmar Mick, entstehe durch das umfangreiche Genehmigungsverfahren "eine hohe Legitimationswirkung". Auch auf die Kontrolle der kommunalen Gebietskörperschaften will der ADD-Präsident nicht verzichten. "Sollen sich", so fragt er, "die Kreise etwa selbst beaufsichtigen?"

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