Wer wird am Ende ausgezählt?

TRIER/SALMTAL. Mit der Kampfkandidatur Peter Rauen gegen Christoph Böhr erreicht die jahrelange herzliche Abneigung der beiden Top-CDU-Politiker aus der Region Trier ihren Höhepunkt.

Es war an einem brütend heißen August-Tag des Jahres 1991. Im Eifel-Örtchen Orenhofen stritten zwei CDU-Politiker um die Nachfolge von Ex-Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner im Bezirksvorsitz der Partei. Ein vierschrötiger Unternehmer in den besten Mannesjahren und ein sturmlockiger Jung-Intellektuller buhlten in verbindlichem Ton um die Gunst der Delegierten. Der Ältere setzte sich klar durch, und nach getaner Wahl schritt er zu einem kleinen Pulk von Presseleuten, schlug seinem zusammenzuckenden, soeben zum Stellvertreter gekürten Kontrahenten mit kräftiger Pranke auf die Schulter und brüllte: "Wir zwei packen das schon." Dass Peter Rauen, damals 46, und Christoph Böhr, damals 37, fast eineinhalb Jahrzehnte später in einer völlig anderen Konstellation erneut aufeinander prallen würden, war nicht absehbar. Dass sie, wiewohl Mitglieder der gleichen Partei, nie Freunde werden würden, konnte man freilich ahnen. Vereint allenfalls im unbedingten Führungsanspruch, trafen sich da zwei Mentalitäten, die kaum unterschiedlicher sein konnten. Da war der hemdsärmelige Selfmade-Man und Fußball-Freak Rauen, als brachialer Mittelstürmer gewöhnt an die Fortbewegung mittels Ellenbogen. Einer, der seine Bauarbeiter nötigenfalls auch mal locker unter den Tisch trinken konnte. Und auf der anderen Seite der Philosoph Böhr, darin geübt, Mitdiskutanten durch die rhetorische Macht des Wortes auszuknocken, feinsinnig, belesen, aber im Bauwagen oder gar im Fußballtrikot doch nur mit sehr viel Fantasie vorstellbar. Ihre Verbündeten suchten sich beide passend zum eigenen Stil. Beim legendären Koblenzer CDU-Kriegsparteitag zog Rauen für den poltrigen Proleten Hans-Otto Wilhelm in die Schlacht, Böhr verdingte sich als Schildknappe beim schneidigen Schöngeist Bernhard-"Gott-schütze-Rheinland-Pfalz"-Vogel. Böhr zog, wie man weiß, den Kürzeren, und das ging noch eine ganze Weile so. Das erhoffte Bundestagsmandat ging ihm durch die Lappen, in Mainz drohte die Hinterbank, und zu allem Überfluss klebte ihm ausgerechnet Übervater Helmut Kohl den stigmatisierenden Ausspruch "Der kann net met de Leut‘" an die Backe. Als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl gab es für den frisch gebackenen Doktor der Philosophie eine Klatsche, und die Karriere schien zu Ende. In Böhrs politische Aussagen mischten sich mehr und mehr bittere, manchmal auch populistische Töne. Der joviale Skatspieler Peter Rauen dagegen fiel die Karriereleiter nach oben. Nicht nur, weil er vom Chef des Dorfvereins FSV Salmrohr zum Vorsitzenden des Metropolen-Clubs Eintracht Trier avancierte. In der CDU brachte er es als Mittelstands-Aushängeschild gar bis ins Parteipräsidium, und zu Zeiten eines Vorsitzenden Schäuble galt er als durchaus ministrabel. Wann immer es eine neue Funktion zu ergattern galt, war er schnell bei der Hand - und nicht minder schnell beim Abstoßen alter Verpflichtungen, egal ob politischer, beruflicher oder sportlicher Natur. Leidensfähigkeit ist seine Sache nicht. Christoph Böhr hingegen ist meist nur operativ von einmal eingenommenen Ämtern zu trennen, selbst wenn sie ihm Schmerzen bereiten. Aber die ans Sture grenzende Kontinuität begann sich langsam auszuzahlen. Zuletzt hatte er dank seiner Beharrlichkeit den bei Angela Merkel schlecht angeschriebenen alten Konkurrenten aus dem Salmtal wieder eiskalt überflügelt. Rauen wurde als Präsidiumsmitglied abgehalftert, Böhr hingegen zum stellvertretenden Parteivorsitzenden befördert. Der einst als intellektuell Verschrieene fand sogar heraus, wie man vermittels skurriler politischer Aussagen in die "Bild"-Zeitung kommt. Währenddessen musste sich Rauen mit seinem unspektakulären Hobby als Vorsitzender des Bundestags-Sport-Ausschusses begnügen. Nun, kurz vor Ende der Karriere, setzt der Eifeler zum letzten großen Dribbling an, um doch noch mal an seinem ewigen Gegner vorbeizuziehen. Die Blutgrätsche seiner Mitspieler Hörster und Lechner hat Böhr ins Straucheln gebracht, aber noch nicht zu Fall. Auch wenn der zähe Trierer sichtlich angeschlagen ist: Er wird weiterkämpfen, so lange ihn kein Teamchef vom Platz nimmt - auch wenn die Pfiffe von den Rängen immer lauter werden. Wer sich letztlich durchsetzt, ist offen. Eins aber steht fest: Nach dem Mainzer Parteitag wird kein Gewinner zum Verlierer gehen, ihm auf die Schulter klopfen und sagen: "Wir zwei packen das schon."

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