Wettlauf um die Standorte

Trier · Fachoberschulen als Rettungsanker für Realschulen plus? Immer mehr Schulträger hoffen, durch das Angebot, an den Schulen auch Abitur machen zu können, die Standorte zu erhalten. Wirtschaftsverbände sehen das kritisch.

Trier. Hillesheim will seine Realschule plus für Zukunft sichern. Die Verbandsgemeinde im Vulkaneifelkreis will an die Schule, an der sich für kommendes Schuljahr 54 Kinder für die fünfte Klasse angemeldet haben, eine Fachoberschule für Technik an-gliedern. Die Realschüler hätten dann die Möglichkeit, nahtlos nach der zehnten Klasse die Oberstufe zu besuchen und nach der zwölften Klasse Fachabitur zu machen, ohne die Schule zu wechseln.
Hillesheim ist ein Beispiel von vielen, wie derzeit die Schulträger versuchen, ihre Realschulen plus aufzuwerten. Vielen dieser 2009 aus Real- und Hauptschulen hervorgegangenen Schulen laufen die Schüler weg - oder besser: Sie bleiben aus. Mit dem zusätzlichen Angebot, an der Schule auch Abitur zu machen, hoffen die Gemeinden, die Schulen attraktiver zu machen und damit den Standort zu sichern.
Plus für schwächere Schüler?


Im rheinland-pfälzischen Bildungsministerium sieht man darin ein "sehr attraktives Angebot". Mit den Fachoberschulen sei ein "neuer Baustein für ein durchlässiges und aufstiegsorientiertes Bildungsangebot im Land gesetzt", sagte Bildungsministerin Doris Ahnen kürzlich.
Durch die Realschulen plus haben sich laut Ahnen auch neue Perspektiven für schwächere Schüler ergeben, die die Schule bislang ohne einen Abschluss verlassen mussten. Um die Zahl der Schulabbrecher zu senken, sollen Realschulen plus auch berufsvorbereitende Projekte anbieten. Einige beteiligen sich am Modellprojekt "Keine(r) ohne Abschluss". Schüler ohne Abschluss nach der neunten Klasse sollen die Möglichkeit erhalten, durch zusätzliche Förderung für eine Ausbildung fit gemacht zu werden.
Doch aus Sicht der Eltern kommt gerade die Förderung der schwächeren Schüler an den Realschulen plus zu kurz. Früher hätten die Hauptschulen 14 bis 18 Schüler je Klasse gehabt, "jetzt müssen diese Hauptschüler gemeinsam mit den übrig gebliebenen Realschülern in Klassen mit 25 Schülern lernen", kritisiert Reiner Schladweiler, Vorsitzender des Regionalelternbeirats. Die Verschmelzung von Haupt- und Realschulen sei vielerorts gescheitert, meint Schladweiler. Er spricht von Realschülern, die Hauptschüler mobben, und von getrennten Lehrerzimmern für Haupt- und Realschullehrer.
Während der Verband der Realschullehrer die Realschulen plus verteidigt und auch an deren Zukunft glaubt, sehen Lehrergewerkschaften die Verschmelzung der beiden Schulformen eher kritisch. Vor allem wegen der unterschiedlichen Bezahlung der ehemaligen Hauptschullehrer und der Realschullehrer. Erwin Schneider, Bezirksvorsitzender des Realschullehrerverbandes, fordert, der Schulform eine Chance zu geben. "Viele kennen die Realschule plus und ihr attraktives inhaltliches Angebot noch nicht oder nur oberflächlich."
Die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern im Land sehen die Diskussion um die Realschule plus kritisch. Es habe mittlerweile ein regelrechter Wettlauf der Schulträger eingesetzt, um die Schulen dauerhaft abzusichern.
Papier der Kammern


Die Aussicht, an den Schulen auch Abitur zu machen, löse nicht automatisch die Probleme der Hauptschulen und der Hauptschüler, heißt es in einem gemeinsamen Papier der Kammern. Im Mittelpunkt der Schulart müssten eine individuelle Förderung und Persönlichkeitsbildung der Jugendlichen stehen. Eine solche Förderung werde nicht nur durch ein möglichst langes Festhalten der Schüler in allgemeinbildenden Schulen erreicht, kritisieren die Unternehmer.
Das Land hat neue Leitlinien entworfen, in denen Ausnahmen für kleinere Realschulen plus mit weniger Anmeldungen zugelassen werden sollen. Es gehe aber nicht um Schulschließungen, so ein Sprecher des Bildungsministeriums. Das Konzept soll im Mai im Landtag beraten werden. An der Vorgabe, weiterhin mindestens drei fünfte Klassen zu bilden, werde aber festgehalten.Extra

Die Realschule plus ist eine von drei allgemeinbildenden Schulformen, die es in Rheinland-Pfalz gibt. Daneben gibt es noch die Integrierten Gesamtschulen und die Gymnasien. Auch an Gesamtschulen kann Abitur gemacht werden. Mit der An-gliederung von Fachoberschulen soll das auch an einigen Realschulen plus ermöglicht werden. Die Realschulen plus haben 2009 die Hauptschulen abgelöst. Die klassische Realschule und die Hauptschule wurden zu einer neuen Schule verschmolzen. Bis 2013 sollen alle Realschulen und Hauptschulen durch Realschulen plus abgelöst sein. Es gibt zwei Arten von Realschulen plus. In der Kooperativen Realschule werden die Schüler nach der sechsten Klasse je nach Leistung in unterschiedlichen Klassen unterrichtet. Man könnte sagen, Realschüler und Hauptschüler werden entsprechend gefördert. In der Integrativen Realschule plus lernen alle Schüler nach der sechsten Klasse unabhängig von den schulischen Leistungen in einer Klasse. Im laufenden Schuljahr wechselten landesweit 37 300 Grundschüler in weiterführende Schulen. Die meisten von ihnen - 39,5 Prozent - an Gymnasien. 33 Prozent gingen an Realschulen (laut Statistischem Landesamt etwas mehr als im Schuljahr 2011/12) und 17 Prozent an Integrierte Gesamtschulen. Betrachtet man sich die Anmeldungen für das kommende Schuljahr, kann festgestellt werden, dass sich die Anmeldungen bei den Realschulen plus ungleich verteilen. In vielen Schulen liegt die Zahl unter den für die Bildung von drei Klassen notwendigen 51 Schülern, und das selbst in Städten wie Trier, Wittlich oder Gerolstein. wie

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