Wichtig bis zum letzten Augenblick

TRIER. An der Wiege des modernen Hospiz-Gedankens stehen zwei Frauen: die Ärztinnen Cicely Saunders und Elisabeth Kübler-Ross. Dank ihres Einflusses gründete sich eine Bewegung, die dafür plädiert, Sterbende bis zum Schluss in der menschlich und medizinisch bestmöglichen Weise zu betreuen.

"Sie sind wichtig, weil Sie sind, und Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig! Wir werden tun, was wir können, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können!" Diese Aussage stammt von Cicely Saunders und wurde zum Leitmotiv für die moderne Hospizbewegung. Die Medizinerin hat durch ihr Leben und Werk eine ganz neue Art des Umgangs mit Tod und Sterben geschaffen: Sie setzte ihre Vision in die Tat um, Orte für sterbende Menschen zu schaffen, an denen sie, medizinisch fundiert betreut, ihre letzten Tage verbringen können. Cicely Saunders wurde 1918 in England geboren, machte 1947 den Abschluss als medizinische Sozialarbeiterin. Sie beobachtete im Alltag der Krankenhäuser, dass die Bedürfnisse unheilbar kranker Menschen in der Routine untergingen. Zudem waren die Patienten oft unvorstellbaren Schmerzen ausgesetzt, weil es keine auf den Einzelfall zugeschnittenen Schmerzmitteldosierungen gab. Bei ihrer Arbeit in einem Hospital in London lernte Cicely Saunders den 40-jährigen, unheilbar krebskranken David Tasmara kennen. Aus Gesprächen mit ihm entwickelte sich die Hospizidee, die für Cicely Saunders zunächst ein Gedanke im Hinterkopf blieb. 1951 begann sie ihr Medizinstudium, nach dem Studienabschluss arbeitete sie an der Verbesserung der Schmerzbehandlung. Es dauerte noch zehn Jahre, bis sie ihre Idee in die Tat umsetzen konnte: Im Jahr 1967 eröffnete sie in London das St. Christopher's Hospice, das sie bis 1985 als medizinische Direktorin leitete. David Tasmara hatte ihr als Dank für die Linderung seiner Schmerzen 500 Pfund vermacht. "Ich möchte ein Fenster in deinem neuen Hospizhaus sein", hatte er gesagt. Die zweite Vorreiterin der Hospizbewegung ist die 1926 in Zürich geborene Ärztin Elisabeth Kübler-Ross. Nach ihrem Medizinstudium zunächst als Landärztin tätig, ging sie 1958 nach New York und wurde Fachärztin der Psychiatrie. Anfang der 60er Jahre lehrte sie an der University of Colorado. Sie sprach mit ihren Studenten über den Tod und den Umgang mit Sterbenden - zu jener Zeit auch in den USA ein Tabuthema. 1965 übernahm sie eine Professur in Chicago; gleichzeitig betreute sie stationär Patienten in einem Krankenhaus. Kübler-Ross war in ständigem Gespräch mit Schwerkranken. Daraus entwickelte sich eine umfassende wissenschaftliche Arbeit, die das Thema "Tod und Sterben im Krankenhaus" zum Inhalt hatte. Dabei analysierte sie, dass der sterbende Mensch in der Regel fünf Phasen durchläuft. Zunächst will er den nahenden Tod nicht wahrhaben, dann wird er zornig. Später möchte er buchstäblich "mit Gott und der Welt" über den Tod verhandeln, verfällt danach in eine Depression, bis er endlich dem unausweichlichen Schicksal zustimmen kann. Kübler-Ross verstand dieses 1969 veröffentlichte Phasen-Gerüst nie als Schablone, sondern als Denkmodell. Sie wurde mit dem Buch "Interviews mit Sterbenden" weltbekannt. Wie ihre Kollegin Cicely Saunders gründete auch Elisabeth Kübler-Ross Hospiz-Initiativen. In einem Erfahrungsbericht schildert sie, dass sie auf die Idee kam, "weil die große Einsamkeit der Todgeweihten in den amerikanischen Spitälern im krassen Gegensatz zu meinen Kranken in meiner schweizerischen Landpraxis stand." Kein Zufall, dass die Idee von Frauen stammt

Aufmerksamkeit und Liebe für Sterbenskranke, und das mit einem medizinisch soliden Hintergrund - vielleicht ist es kein Zufall, dass zwei Frauen unabhängig voneinander auf den Gedanken gekommen sind, die Sterbebegleitung ein Stück weit zu "professionalisieren". Dass nicht nur wissenschaftliches Interesse hinter dem Hospizgedanken steht, unterstreicht ein Satz von Kübler-Ross: "Wir verstehen es, dass sich die Interessenswelt der Sterbenden mehr und mehr einschränkt, dass ein stilles Zusammensein, ein Halten der Hände, ein schweigendes Streicheln über die Haare wichtiger wird als jegliches Gespräch." Elisabeth Kübler-Ross lebt nach einigen Schlaganfällen zurückgezogen und einsam in Arizona. Mit 23 Ehrendoktor-Titeln ist sie die wohl akademisch meist ausgezeichnete Frau der Welt. Cicely Saunders wurde 1980 von Queen Elizabeth II. der Titel "Dame" verliehen. Noch Ende der 90er Jahre reiste sie umher und hielt Vorträge.

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