Wie Aufsteiger aus Asien unsere Arbeitswelt verändern

5600 deutsche Schüler im Fach Chinesisch sind für die Zukunft zu wenig - zu dieser Einschätzung kommt der Bonner Zukunftsforscher Klaus F. Zimmermann. Er macht darauf aufmerksam, dass der Aufstieg der neuen Supermacht China auch von den Europäern neue Denkansätze verlangt.

 Hilft den Trierern in Sachen China auf die Sprünge: Studentin Lijun Xu aus Qingdao (Tsingtau) vor der Porta Nigra. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Hilft den Trierern in Sachen China auf die Sprünge: Studentin Lijun Xu aus Qingdao (Tsingtau) vor der Porta Nigra. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Unsere Arbeitswelt steht mitten in einer stillen Revolution: Nicht mehr Europa und Amerika, sondern China wird zunehmend zur wichtigsten Talentschmiede für den Nachwuchs in Forschung, Technik und Wissenschaften. Kein anderes Land der Welt arbeitet seit Jahren konsequenter an der Erkenntnis, dass Investitionen in die Ausbildung der Schlüssel schlechthin sind für Wachstum durch Innovationen.
Das einstige "Billig-Lohnland" hat erfolgreich begriffen, dass jene Staaten den globalen Wettbewerb gewinnen werden, die am nachhaltigsten in international denkende Wirtschaftseliten investieren.
Dass es soeben Deutschland als "Exportweltmeister" abgelöst hat, ist nur ein weiteres Indiz hierfür.
Dieser Aufstieg der neuen asiatischen Supermacht ist das Ergebnis einer klaren strategischen Ausrichtung, die sich an zwei Generallinien orientiert: der Technologieorientierung und der Internationalisierung. So konzentriert China zum einen seine Anstrengungen in den Bereichen von Hochschule, Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchsförderung auf jene technologiegetriebenen Berufsbereiche, die die Märkte von morgen bestimmen.
Dabei t zuletzt jährlich fast eine Million Absolventen in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern die chinesischen Universitäten verlassen - also exakt in jenen Disziplinen, in denen uns hierzulande der Fachkräftemangel schon heute am deutlichsten zurückwirft.
Doch die neue Überlegenheit ist keineswegs nur eine Frage der größeren Zahl. Denn zum anderen ist die Bildungspolitik Pekings zugleich klar international ausgerichtet; das Land produziert global denkende Köpfe. So pflegt China - ganz im Gegensatz zu dem Vorurteil von einer abgeschlossenen Festung - einen Wissenschaftsaustausch und Ausbildungsbeziehungen zu fast 200 Ländern.
Im Ergebnis entsteht dadurch eine neue, weltweit mobile Führungselite, die ihren spezifischen Stil entwickelt, indem sie alte traditionelle Werte des Landes mit westlicher Managementerfahrung und Know-how verbindet. Bestens qualifizierte Köpfe werden so zum wichtigsten Exportartikel des Riesenreiches mit seinen 1,35 Milliarden Einwohnern.
Überall auf der Welt zu Hause


Auch wenn wir die politisch-ideologischen Grundlagen des chinesischen Weges nicht teilen, so müssen wir die chinesische Herausforderung doch ernst nehmen. Zum Beispiel, dass viele seiner führenden Hochschulen ein Fünftel ihres Jahresbudgets investieren, um die besten Köpfe der Welt anzulocken.

Dieser Prozess der Bildung eines neuen hochqualifizierten Humankapitals wird das asiatische Kernland grundlegend verändern und international weiter öffnen. Chinesische Studenten sind längst überall in der Welt zu Hause - viele von ihnen kehren mit ihren neu gewonnenen Erfahrungen später wieder in ihre Heimat zurück. So beschleunigt sich die Dynamik beim Aufbau neuer Wissens- und Wirtschaftseliten immer mehr.
Im Westen wird dieser Umbruch noch überwiegend ignoriert. So hat ihn etwa der jüngste chinesisch-deutsche Gipfel in Berlin weitgehend ausgeblendet. In unseren Schulen lernen derzeit erst rund 5600 Schülerinnen und Schüler Chinesisch als Fremdsprache, nur wenige gar als Abiturfach; Schulpartnerschaften sind ebenso viel zu selten. Dies liegt unter anderem daran, dass es zu wenig qualifizierte Lehrer dafür gibt.
Kenntnisse über das fernöstliche Riesenreich werden auch in unseren Hochschulen kaum vermittelt. Wirkliche China-Experten sind in Deutschland Mangelware. Die Herausforderung aus China haben wir dann erst wirklich begriffen, wenn in den deutschen Gymnasien Mandarin, die weltweit meistgesprochene Muttersprache, ebenso selbstverständlich angeboten wird wie Englisch oder Spanisch. Wenn chinesische Gastdozenten an unseren Universitäten ebenso zum Alltag gehören wie Europäer oder Amerikaner in China. Wenn gemeinsame Studiengänge zur Realität gehören.
Und wenn deutsche Studierende Auslandssemester in China als Normalfall empfinden.
Klaus F. Zimmermann ist Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn und Honorarprofessor an der Renmin-Universität in Peking. Das IZA ist ein privates, unabhängiges Wirtschaftsforschungsinstitut. Es wurde 1998 von der Post gegründet und konzentriert sich auf die Analyse der weltweiten Arbeitsmarktentwicklungen. red

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