Wie Betrüger Senioren ausnehmen

Trier/Wittlich/Morbach/Gerolstein · Mal geht es gut, weil aufmerksame Mitmenschen im letzten Moment verhindern, dass Senioren Gaunern Geld geben. Mal verlieren Gutgläubige ihre gesamten Ersparnisse. Auch wenn die Maschen der Betrüger auf den ersten Blick durchschaubar wirken, fallen viele darauf herein.

Trier/Wittlich/Morbach/Gerolstein. In Morbach hat ein aufmerksamer Taxifahrer Schlimmeres verhindert. In Trier der Angestellte einer Tankstelle. Und in Gerolstein hat eine 92-Jährige selbst erkannt, dass Betrüger am Werk sind. Die Masche war in allen drei Fällen die gleiche: Per Telefon hatten Anrufer älteren Damen mitgeteilt, dass ein großer Geldgewinn auf sie warte. Alles, was sie dafür tun müssten, sei: zur nächsten Tankstelle fahren und dort für ein paar Hundert Euro, die als Gebühr zu entrichten sind, Ukash- oder Paysafekarten kaufen - ein Bezahlsystem, das im Internet schnelles und anonymes Einkaufen ermöglicht.
Darauf sei eine Nummer, die die Damen telefonisch durchgeben sollten. Und dann würde man ihnen den Gewinn zustellen. "In der Türkei gibt es regelrecht Callcenter, die über die Daten älterer Menschen verfügen", sagt Andreas Staib, Leiter des Betrugsdezernats bei der Kriminalinspektion Wittlich. Er hat in den vergangenen Wochen mehrere ähnliche Fälle bearbeitet - und nicht immer fällt der Betrug auf, ehe es zu spät ist.
Typisch sei auch, dass irgendwann ein deutscher Rechtsanwalt ins Spiel kommt, der angeblich bestätigen kann, dass der Gewinn echt ist. Zu erreichen ist dieser unter einer Nummer, die aussieht wie eine ganz normale deutsche Festnetznummer. Staib, der von einem kritischen Rentner hinzugezogen worden war, hat selbst mit solch einem Mann telefoniert. Der hatte eine Frankfurter Nummer, meldete sich tatsächlich als Anwalt Soundso und erklärte seinem Anrufer, dieser müsse unbedingt schnell zur Tankstelle nach Hetzerath fahren und dort die Karten kaufen. "Ich dachte, ich schicke da die Frankfurter Kollegen hin und lasse den festnehmen", sagt Staib. Doch so einfach war das nicht. Denn in Wirklichkeit gab es gar keinen Festnetzanschluss. Über das Internet war auch dieser Anruf in der Türkei gelandet.
Mit einem ganz ähnlichen Trick ist es Betrügern kürzlich gelungen, eine 87-jährige Moselanerin um all ihr Erspartes zu bringen - insgesamt etwa 20 000 Euro. In diesem Fall hatte laut Staib ein Mann angerufen, der sich als türkischer Rechtsanwalt ausgab: Er teilte der Frau mit, dass sie viel Geld gewonnen habe. Geld, das die Veranstalter des Gewinnspiels zunächst unterschlagen hätten. Diese seien jedoch inzwischen verhaftet worden, daher könne die Dame das Geld nun haben. Sie müsse dafür nur eine Anwaltsgebühr bezahlen. Statt sie zur nächsten Tankstelle zu schicken, gab man ihr eine Kontonummer. Dorthin solle sie 920 Euro überweisen. Das tat sie auch. Kurz darauf kam der nächste Anruf: angeblich von einem Staatsanwalt aus Köln. Und statt Versprechen gab es nun Drohungen: Wenn sie nicht zahle, müsse sie mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Man werde ihr einen Boten vorbeischicken, dem sie Geld übergeben solle. Dieser werde ihr an der Türe das Passwort "Luna" nennen. "Viele ältere Leute lassen sich leider leicht einschüchtern", sagt Staib. Das scheint auch im geschilderten Fall so gewesen zu sein: Die Frau zahlte. Und zwar viele Male. So lange, bis all ihr Geld weg war und sie einen Verwandten bat, ihr 1000 Euro zu leihen. Dieser mutmaßte gleich, dass sie Betrügern aufgesessen war. Doch statt die Polizei einzuschalten, entschied er sich, dem Boten beim nächsten Geldübergabetermin selbst gegenüberzutreten - woraufhin dieser flüchtete. Kurioserweise verabredete die Seniorin laut Staib ein weiteres Treffen, um dem Mann das versprochene Geld noch übergeben zu können.
Inzwischen ist er gefasst. Denn mit exakt der gleichen Masche hatte er versucht, eine Dame im fernen Itzehoe auszunehmen - die jedoch gleich die Polizei einschaltete. Der Bote wurde an der Haustüre verhaftet. "So haben wir wenigstens das kleinste Licht in der Kette", sagt Staib. Seine Auftraggeber dürften weiterhin von der Türkei aus nach neuen Opfern suchen.Extra

Die Zahl der Straftaten ist im Bereich des Polizeipräsidiums Trier seit einigen Jahren leicht rückläufig. Das gilt auch für die Betrugsdelikte: Gab es im Jahr 2007 noch 6999 (davon 1611 im Internet), so waren es im Jahr 2011 nur noch 5375 Betrugsdelikte (davon 710 im Internet). kahExtra

Der Erfindungsreichtum von Betrügern zeigt sich auch in dem noch recht jungen Konstrukt der Finanz- und Paketagenten, das laut Kripo auch in der Region Trier zum Einsatz kommt. In Internetjobbörsen rekrutieren die Betrüger Arbeitssuchende, die ihnen ihr Konto oder ihre Postadresse zur Verfügung stellen. Der Vorwand: Man sei ein international tätiges Unternehmen, das aus steuerlichen oder sonstigen Gründen ein Konto oder eine Adresse in Deutschland benötige. Mit Arbeitsverträgen und dem Versprechen, alles sei legal, gaukeln sie Seriosität vor. Die Finanzagenten sollen Geld, das auf ihrem Konto eintrifft, über Bargeldversandfirmen wie "Western Union" an einen ausländischen Empfänger weiterleiten. Fünf bis zehn Prozent können sie selbst behalten. Das Geld ist natürlich illegal erworben: So kann es von "Kunden" stammen, die auf einen gar nicht reell existierenden Internetshop hereingefallen sind und gutgläubig 500 Euro für einen Fernseher überweisen, den sie niemals erhalten werden. Da sie irgendwann die Polizei einschalten, fliegt das Ganze meist sehr schnell auf. Und die Finanzagenten sind dann gleichermaßen Opfer und Täter. Sie haben sich der Mithilfe bei der Geldwäsche schuldig gemacht und müssen laut Kripo für den gesamten Schaden, der den Betrogenen entstanden ist, aufkommen. Ähnlich ergeht es den Paketagenten, wenn sie auffliegen, was ebenfalls meist schnell geschieht. Sie wurden rekrutiert, um illegal erworbene Ware zu empfangen und an ausländische Adressaten weiterzuleiten. Ware, die meist mit ausgespähten Kreditkartendaten erworben wurde. Dass das Paket an einen deutschen Empfänger adressiert ist, soll das Misstrauen der versendenden Firmen verringern. Auch die sogenannten Packstationen, an denen Kunden Pakete rund um die Uhr abholen oder aufgeben können, werden laut Kripo gerne von Betrügern für ihre Zwecke benutzt. Sie spähen Kundendaten aus und missbrauchen diese, um sich auf deren Namen illegale Pakete liefern zu lassen oder aufzugeben. kah

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