Wie der „gefallene Engel“ wieder aufzustehen versucht

Saarbrücken · Noch sind es nur Ankündigungen: Der ADAC will sich einem tiefgreifenden Reformprozess unterziehen. Künftig soll das Mitgliederinteresse über dem Wirtschaftsinteresse stehen, verspricht Interims-Präsident Markl bei der Hauptversammlung des Clubs in der Saarbrücker Congresshalle.

Vor der Congresshalle zittern die auf Hochmast festgezurrten ADAC-Fahnen im Wind. Was ein bisschen symbolisch wirkt für das, was sich nach den zurückliegenden Skandalen im Innern des größten Automobilclubs Deutschlands abspielt. Zittern muss der Club gegenwärtig unter anderem um sein Vereinsrecht. Denn der ADAC ist sowohl eingetragener Verein als auch weitverzweigter Konzern. Gegenwärtig prüft ein Münchener Gericht, ob nicht wirtschaftliche Interessen bei dem Auto-Club überwiegen.

Nach den Erschütterungen der vergangenen Monaten sucht der gefallene "Gelbe Engel" nun wieder auf die Beine zu kommen. Das Renommee des mächtigen deutschen Autofahrer-Lobbyisten mit seinen knapp 19 Millionen Mitgliedern ist durch die Manipulationen beim Autopreis "Gelber Engel" und Berichte über Vetternwirtschaft mächtig ramponiert. Einige personelle Konsequenzen hat der Club schon vollzogen: Präsident Peter Meyer, Geschäftsführer Karl Ostermair und Kommunikationschef Michael Ramstetter mussten inzwischen gehen.

Reform, Vertrauen und Transparenz sind denn wohl auch die meist genutzten Vokabeln der Saarbrücker Versammlung des ADAC - dem nun freilich ein wenig mehr Demut und ein bisschen weniger Vollmundigkeit gut anstehen. Zumal die Mitgliederorientierung künftig Vorrang haben soll vor den finanziellen Interessen, wie Interimspräsident August Markl verspricht.

Reformgemäß soll der Club den "Dialog mit den Mitgliedern ausbauen" und bei politisch kontroversen Themen nur noch eine "moderierende und aufklärende Rolle einnehmen". Präsidium und Verwaltungsrat hätten inzwischen ein Reformprogramm auf den Weg gebracht, "das den gesamten ADAC schonungslos auf den Prüfstand stellt", sagt Markl. Den 197 Delegierten im Saal ringt er denn auch ein Bekenntnis zur bevorstehenden "Reform für Vertrauen" ab: "Ich bitte Sie herzlich, begleiten und unterstützen Sie uns auf dem vor uns liegenden, sicher langen und nicht einfachen Weg."

Bei den Neuerungen setzt Markl unter anderem auf eine Art "Whistleblower"-System, bei dem jedermann anonym über eine Internet-Plattform Hinweise auf Fehlverhalten oder gesetzliche Verstöße des ADAC geben kann. Die Meldungen sollen dann nicht vom Auto-Club selbst, sondern von einer externen Kanzlei bearbeitet werden. Striktere Trennungen von Verein und Unternehmen, Ehrenamt und Hauptamt gehören ebenfalls zu den wichtigen Reformzielen. Für das vorgestellte Gesamtpaket bekommt Markl auch prompt die Rückendeckung der Delegierten, ebenso dafür, dass die Wahl eines neuen Präsidenten auf den Abschluss der Reform warten muss. Der Prozess braucht Zeit, sagt Markl, "mindestens bis Ende des Jahres, möglicherweise auch bis zur Hauptversammlung in einem Jahr".

Während die Delegierten noch durchatmen, schlägt Transparency-Chefin Edda Müller in ihrer Rede weit schärfere Töne an. Die Professorin ist Mitglied eines Beirats, der den ADAC in seinem Reformprozess begleiten soll. Auch wenn inzwischen personelle Konsequenzen gezogen seien, sagt sie, sei die ADAC-Welt damit noch längst nicht in Ordnung. Denn Müller weiß: "Persönliches Fehlverhalten hat selten rein individuelle Ursachen - es gedeiht immer dann, wenn ein fruchtbarer Nährboden vorhanden ist." Der ADAC solle die Krise nun auch als Chance nutzen, um seine Ziele und Zwecke auf ihre Zukunftstauglichkeit zu prüfen.

Von den geladenen Politikern immerhin bleibt jeglicher Donnerhall für den krisengeschüttelten Verein aus. Im Gegenteil: Es gibt tröstende Worte, denn kritik-erprobt fühlt sich ein Politiker da eher als Leidensgenosse, gibt Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zu verstehen. Freilich dürfe auch nicht vergessen werden, welch hohen Anteil der ADAC an der Rettung von Menschenleben hat. Das sieht Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (CDU) ebenso. Verbale Aufmunterungen hält auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) bereit, der untermauernd seinen ADAC-Ausweis zückt. Und der dem Club in seinem Vortrag zu zukunftssichernden Reformen rät, die sich auch umweltpolitischen Notwendigkeiten nicht verschließen.

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