Wie die Kanzlerin und ihre CDU mit dem Wahldebakel umgehen

Berlin · Angela Merkel macht es spannend. Fast eine halbe Stunde später als angekündigt tritt die CDU-Chefin gestern im Konrad-Adenauer-Haus vor die Presse, um ihre Sicht auf das Wahldebakel vom Vorabend zu erläutern. Überraschungen gibt es nicht: Merkel beharrt weiter auf ihrem Flüchtlingskurs. Die Kritiker in der Union geben allerdings auch nicht klein bei.

Berlin. Wenigstens der Humor ist der CDU noch nicht abhanden gekommen. Als der CDU-Landeschef von Baden-Württemberg, Thomas Strobl, in der Berliner Parteizentrale gefragt wird, warum der Grüne Winfried Kretschmann so erfolgreich im Südwesten war, antwortet der Christdemokrat trocken: "Das lässt sich in einem Satz sagen: Er hat für Angela Merkel gebetet." Strobels launische Bemerkung ist eine Anspielung auf Kretschmanns geradezu zelebrierte Unterstützung für den Flüchtlingskurs der Kanzlerin im Wahlkampf. Genau an dem Punkt scheiden sich in der Union nun jedoch einmal mehr die Geister.
Seehofers Botschaft


Die einst schwarze Hochburg im Südwesten erneut verloren, ein satter Einbruch auf der Zielgeraden in Rheinland-Pfalz und Verluste auch in Sachsen-Anhalt - nicht wenige in der Union machen dafür mehr oder minder direkt die Vorsitzende verantwortlich. Allen voran CSU-Chef Horst Seehofer. Der Bayer hatte schon am Morgen von München aus "Konsequenzen" angemahnt. Die Antwort könne nicht sein, es gehe alles so weiter wie gehabt. Sogar den Bestand der Union sieht Seehofer in Gefahr. Die Lage sei "äußerst ernst".
Bei der Adressatin in Berlin hörte sich das weitaus weniger dramatisch an. Nicht, dass Merkel die Wahlniederlagen beschönigen würde. Auch hinter verschlossenen Türen spricht sie von einem "schweren Tag für die CDU", was mancher Kritik den Wind aus den Segeln nimmt. Dass die Stimmenverluste dem Flüchtlingsproblem ("das alles dominierende Thema") geschuldet sind, gesteht sie ebenfalls zu. Aber ihrem Kurs für eine europäische Lösung abschwören? Dazu sieht Merkel auch weiterhin keinerlei Veranlassung. Es gebe noch keine abschließende Lösung, räumt sie ein. Das brauche Zeit . Und die AfD? Mit der müsse man sich "argumentativ ausein-andersetzen", entgegnet Merkel. Die "Ängste" vieler Menschen, die "Sorge vor dem Islam" und "die Frage der inneren Sicherheit", da müsse man überall "entsprechende Antworten finden".
Die drei Spitzenkandidaten bei den Landtagswahlen, die mit Merkel auf die Bühne im Konrad-Adenauer-Haus gekommen sind, scheinen solche Bemerkungen nicht sonderlich zu befriedigen. Sowohl Julia Klöckner in Mainz als auch Guido Wolf in Stuttgart sowie Reiner Haseloff in Magdeburg haben im Wahlkampf Distanz zu Merkels Kurs erkennen lassen. In ihren Statements halten die drei gestern mehr oder minder verklausuliert an ihren Standpunkten fest. Klöckner behauptet sogar, ohne ihren Plan A2 hätte die CDU noch mehr Boden gegenüber der AfD eingebüßt. Merkel quittiert diese Lesart mit Schweigen.
Von Einigkeit in der Flüchtlingsfrage ist die Union also weit entfernt. Die CDU-Chefin kann offenbar damit leben. Auch weil keine personelle Alternative zu ihr in Sicht ist. Selbst Seehofer antwortet auf die Frage, ob Merkel noch die richtige Kanzlerin sei, mit "Ja". Am morgigen Mittwoch trifft er sich in Berlin wieder mit Merkel, um über die Lage zu beraten. Es gibt allerdings auch Stimmen, die auf den September verweisen: Würden die dann anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin genauso schieflaufen, dann gehe es auch um die Vorsitzende.

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