Wie Hase und Igel

TRIER. Woran liegt es, dass ein immer geringer werdender Anteil von Hauptschülern nach der Schule in die Lehre geht? Die Meinungen gehen auseinander zwischen Schulen, Wirtschaft und Arbeitsvermittlung. Dabei funktioniert in der Region nach Ansicht aller Beteiligten die Kooperation noch recht gut.

Wer eine Hauptschule leitet, ist Kummer gewöhnt. Was einst als Rückgrat des Bildungssystems im Lande fungierte, ist längst zum Sammelbecken vielfältiger Probleme geworden. Lange haben die Hauptschulen den Weg an die Öffentlichkeit gescheut, aus Angst, das ohnehin ramponierte eigene Image weiter zu schädigen. Das Gros landet in der "Abstellkammer"

Aber nun platzt den Lehrern immer öfter der Kragen angesichts einer Misere, für die sie sich nicht verantwortlich fühlen, deren Behebung aber ihre Möglichkeiten übersteigt. Mit weniger als 20 Prozent abgeschlossener Hauptschüler, die eine Lehrstelle antreten können, ist Trier kein Ausnahmefall. Einige wenige gehen den erfolgversprechenden Weg zur mittleren Reife, manche werden vielleicht auch beim "zweiten Durchgang" noch eine Lehrstelle ergattern. Das Gros landet in der "Berufsfachschule 1", von Eingeweihten "Parkhaus" oder "Abstellkammer" genannt. Die Chancen, doch noch in eine Berufslaufbahn einzusteigen, erhöht das kaum. Die Berufsfachschüler konkurrieren ein Jahr später schon wieder mit dem nächsten Abschlussjahrgang der Hauptschulen. Für einen wachsenden Anteil von Jugendlichen endet so die Arbeits-Karriere, bevor sie überhaupt begonnen hat. Für die Stimmung in den Hauptschulen ist das fatal. "Alle Anreiz-Systeme fallen weg", erzählt Markus Lehnert, Leiter der Pestalozzi-Hauptschule. 32 seiner Schülerinnen und Schüler haben den Abschluss in der Tasche, ganze drei eine Lehrstellen-Zusage. Dabei hätten etliche "bis zu 40 Bewerbungen" geschrieben. Am mangelnden Engagement der Schüler liege es in den meisten Fällen nicht. Die Lehrer fühlten sich "wie Hase und Igel: Egal welches Konzept man entwickelt, am Ende ist der Misserfolg immer schon da." Lehnerts Kollege Hans-Richard Günther von der Hauptschule Trier-Ehrang verweist auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen, mit denen man die Schüler auf den Job vorbereitet hat. Bewerbertrainings, Berufsorientierungscamps, Praktika, Firmenkooperationen: Seit Jahren arbeite man daran, die Vorbereitung auf den Ernstfall zu verbessern. Und doch haben auch in Ehrang nur sieben von 50 Abgängern eine Lehrstelle. "Da fragt man sich, ob all diese Initiativen einen Sinn haben", sagt Günther. "Die Wirtschaft bietet zu wenig Ausbildungs-Chancen", heißt es in einer Art Hilferuf der Trierer Hauptschulen. Die Leiter appellieren an Wirtschaft und Politik, "allen Jugendlichen eine Chance zu geben", aber auch, "über eine grundlegende Reform des Schulsystems nachzudenken", das derzeit "auf Kosten einer Schulart, der Hauptschule, existiert". Dass es jenseits der Strukturprobleme "durchaus positive Unterstützung aus der regionalen Wirtschaft" gebe, betonen auch die Lehrer. Trotzdem wünschen sie sich mehr Hilfe. 30 Betriebe hat Markus Lehnert kürzlich angeschrieben auf der Suche nach Unterstützung - ganze drei hätten überhaupt geantwortet. Dennoch: Jürgen Dillmann von der Agentur für Arbeit betont, "dass in der Region Trier, gemessen an anderen, zum Glück noch alle an einem Strang ziehen".Experten fordern frühere "Berufsorientierung"

Seine Erfahrungen zeigen, dass bei guter persönlicher Betreuung der einzelnen Fälle mancher Schüler doch noch untergebracht werden kann - auch bei weniger guten Noten. Aber es gebe oft "eine Differenz zwischen den Anforderungen der Betriebe und den Leistungspotenzialen der Bewerber". So fordert auch Markus Kleefisch von der Industrie- und Handelskammer eine "frühere Berufsorientierung". Freilich seien viele Hauptschulen "in diesem Bereich schon sehr aktiv". Aber auch das Land als Bildungsträger müsse in den Schulen "wesentlich mehr zur Stabilisierung der Jugendlichen beitragen". Wo andernorts "Jugendscouts hinter jedem einzelnen stehen", seien Erfolge nicht zu übersehen. Da liegt der Wirtschaftsvertreter gar nicht so weit von den Schulleitern weg: Auch die haben festgestellt, dass intensiv betreute Schüler in praxisorientierten "Arbeitsweltklassen" trotz miserabler Schul-Leistungen leichter in Betriebe zu vermitteln sind. Allerdings - so hält Schulleiter Günther fest - komme da auch "auf drei Schüler ein Sozialarbeiter".

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