Wie wird Leistung gemessen?

TRIER. Gewerkschaften, Arbeitgebervertreter und Bundesinnenminister Otto Schily klopfen sich gegenseitig auf die Schulter: Der Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst sei revolutionär, sagen sie. Doch wie sehen es die Beschäftigten?

Gesprächsthema war es gestern noch nicht. Statt über das neue Tarifrecht hat man sich in den Büros der Trierer Stadtverwaltung eher noch über den Karnevalsskandal von Trier-Süd unterhalten. "Ich bin überrascht, dass die Einigung so schnell gekommen ist", sagt Marietta Apitius. Sie ist stellvertretende Leiterin des Liegenschaftsamtes der Stadt Trier. Was in dem neuen Tarifrecht drin steht, weiß sie auch noch nicht so genau. "Mehr als in der Zeitung steht, ist mir auch nicht bekannt." Klar hat sie von den Eckpunkten gehört: Längere Arbeitszeiten, Bezahlung nach Leistung, keine automatische Beförderung mehr. Doch was auf sie zutrifft weiß sie noch nicht. "Für alle, die schon länger dabei sind, wird sich wohl nicht allzu viel ändern", meint die Vize-Amtsleiterin, die seit 35 Jahren bei der Stadt Trier beschäftigt ist.Längere Arbeitszeiten? "Selbstverständlich"

"Wir müssen erst Mal abwarten, was da auf uns zukommt", sagt auch Jutta Olk. Seit 1990 arbeitet sie beim Liegenschaftsamt, seit 24 Jahren ist sie im Öffentlichen Dienst beschäftigt. Die beschlossenen Änderungen, wie Zusammenlegung von Weihnachts- und Urlaubsgeld zu einer Jahresprämie, die 60 bis 90 Prozent eines Monatsgehaltes ausmacht, oder flexiblere Arbeitszeiten von bis zu 45 Stunden pro Woche, lassen die Angestellte vorerst kalt. "Viel wird sich da nicht ändern." Flexible Arbeitszeiten habe man doch jetzt auch schon, meint ihr Kollege Rudolf Kees. Er müsse öfter mal nach Dienstschluss oder am Wochenende arbeiten. "Das ist selbstverständlich und gehört zu unserem Job. Ich muss mich doch nach den Kunden richten. Es gibt doch nur noch wenige bei uns, die jeden Tag zur selben Zeit den Griffel fallen lassen."Verbesserungen für neue Mitarbeiter

Beamtenmentalität in den Amtsstuben - das gebe es kaum noch, glaubt zumindest Kees, der seit 1991 dabei ist. Doch das sich etwas an dem starren, verkrusteten Besoldungs-System ändern musste, darin ist er sich mit seiner Kollegin einig. Vor allem für Neueingestellte bringe das Tarifrecht Verbesserung mit sich. Automatische Beförderungen sind passé. Wer gute Leistungen bringt, soll schneller aufsteigen können. Das Gehalt steigt in jüngeren Jahren schneller als bisher, also dann, wenn viele das Geld dringend brauchen. "Das macht den Öffentlichen Dienst vielleicht attraktiver für Berufsanfänger", glaubt Klees. Auch wenn die beiden Verwaltungsangestellten grundsätzlich mit dem Aufbrechen des veralteten Bundesangestellten-Tarifs mit seinen bislang 17 000 Eingruppierungsmerkmalen einverstanden sind, haben sie bei einem beschlossenen Punkt doch Bedenken: "Die Bezahlung nach Leistung, das ist ein heikler Punkt", sagt Jutta Olk. Hat sie Angst, weniger zu bekommen? "Das nicht. Aber wer will denn bewerten, wer was leisten muss?" "Ich kann ja schlecht ein Grundstück mehr verkaufen, um mehr zu leisten", pflichtet ihr Kollege Klees bei. "Andererseits", meint Jutta Olk nach kurzem Überlegen, "wir werden doch jetzt auch schon nach Leistung eingestuft". Eine Bewertungskommission prüfe die von den Mitarbeitern gestellten Höhergruppierungsanträge und entscheide dann, wer auf der Besoldungsskala eine Gruppe nach oben klettern dürfe. "Anders kann es in Zukunft ja auch nicht sein", vermutet Olk. Die leistungsorientierte Bezahlung - sie scheint in der Tat vielen Beschäftigten aber auch Verwaltungschefs sauer aufzustoßen. Auch im Wittlicher Rathaus heißt es: "Ein alter Hut." Befördert werde nur wer, "sich vorher durch Leistung dafür qualifiziert hat". Doch wie ist Leistung überhaupt messbar? Etwa bei einem Müllmann. Kundenzufriedenheit, Zahl der geleerten Tonnen oder Unfallhäufigkeit bei den Müllfahrern könnten laut Maximilian Monzel, Geschäftsführer des Abfallzweckverbandes für den Raum Trier (ART), durchaus Kriterien sein. Doch er glaubt nicht, dass der neue Tarif tatsächlich Anreize schafft, mehr Leistung zu bringen. "Warum soll sich ein Mitarbeiter für ein Prozent mehr im Jahr anstrengen?" Der Verwaltungsaufwand mit Dienstvereinbarungen und Leistungskontrollen werde dagegen enorm. Beim ART wird nun geprüft, wie die Bezahlung nach Leistung umgesetzt werden kann. "Zehn Prozent mehr bei guter Leistung und zwar ab sofort und nicht erst in zwei Jahren und generell 40 Stunden, das wäre ein echter Tarifabschluss gewesen. Und nicht so was, was uns nicht wirklich weiter bringt", ärgert sich der Müll-Boss. "Dann hätte es zwar mal kurz einen Aufschrei gegeben, aber das hätte sich schnell wieder gelegt."Beamte schuften mehr als Angestellte

Fraglich, ob der Aufschrei tatsächlich so groß gewesen wäre. Denn auch die Rathaus-Angestellten haben sich vor dem Tarifabschluss bereits darauf eingestellt, bei gleichem Geld mehr arbeiten zu müssen. Doch vorerst bleibt für sie alles beim Alten: 38,5 Stunden pro Woche. Ihre Kollegen bei Bundesbehörden müssen eine halbe Stunde länger arbeiten. Und die Beamten müssen seit Jahren ohnehin 40 Stunden in der Woche ran. "Ungerecht und unverständlich", findet der Sprecher der Wittlicher Stadtverwaltung, Ulrich Jacoby. "Das Wichtigste aber ist, dass mit dem neuen Tarif unsere Arbeitsplätze sicherer sind", meint Verwaltungsangestellter Rudolf Klees.

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