Wieviel Freizeit brauchen die Deutschen?
TRIER. (ik) Die Deutschen haben zu oft frei – finden Teile der Wirtschaft und verlangen: Wer krank ist und im Job fehlt, soll einen Teil seines Urlaubs hergeben. Während man auch in der Region über diesen Vorstoß diskutiert, werden bereits Forderungen nach weiter gehenden Einschnitten in die Freizeit laut.
"Ein absolutes Muss" oder "Schwachsinn"? Die Forderung, Krankheitstage künftig auf den Urlaubsanspruch anzurechnen, hat emotionale Debatten ausgelöst. Urlaub müsse erwirtschaftet werden, begründet der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Otto Kentzler, seinen Vorstoß. "Warum muss ein Arbeitnehmer, der ein halbes Jahr krank ist, noch Anspruch auf den kompletten Jahresurlaub haben?" Die Entrüstung ist groß. Verdi-Chef Frank Bsirske spricht von einer "abstrusen Idee". Er wittert hinter Kentzlers Vorstoß die Absicht, durch die Hintertür eine Verlängerung der Arbeitszeit zu erreichen. Für Karl-Heinz Päulgen vom Deutschen Gewerkschaftsbund in Trier kommt die Initiative einer "zusätzlichen Bestrafung der Kranken" gleich. Politiker lehnen den Vorstoß ab. Selbst aus der wirtschaftsfreundlichen FDP kommt Kritik: Wenn die Arbeitgeber Urlaubstage streichen wollten, sollten sie das sagen und nicht in die "Trickkiste" greifen, fordert Generalsekretär Dirk Niebel. Einzig CDU-Parteivize Christoph Böhr schließt eine Umsetzung von Kentzlers Idee nicht generell aus. Auch bei der Trierer Handwerkskammer sieht man den Vorstoß des Zentralverbands kritisch: Die Arbeitskosten zu senken sei zwar richtig, sagt Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks. "Aber ob dieser Vorschlag angesichts des niedrigen Krankenstandes besonders glücklich ist - da habe ich meine Zweifel." Ehrlicher wäre es zu fragen, ob 30 Tage Urlaub angemessen seien. Arne Rössel, Chef der Trierer Industrie- und Handelskammer, hält längere und flexiblere Arbeitszeiten für sinnvoller als eine Verrechnung von Krankheitstagen und Urlaub. Der ZDH-Vorstoß berühre Tabuthemen und werde deshalb scheitern. Die Streichung von Freizeit bei Krankheit ist nur die Spitze des Eisbergs. Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels, fordert eine Abschaffung des Sonderurlaubs bei Hochzeiten oder Umzügen. Zudem will Pellengahr über Brückentage diskutieren: Wenn ein einziger Urlaubstag Arbeitnehmern fast eine Woche Freizeit beschere, müsse auch der Feiertag vom Urlaub abgezogen werden. Kommentar Seite 2Themen der zeit Seite 3 Ihre Meinung in Kürze? Halten Sie die Anrechnung von Krankheitstagen auf den Urlaub für eine gute Idee? Ihre Mail wird nur veröffentlicht, wenn uns Name und Anschrift vorliegen.