Willkommene Prügelknaben

Die anhaltende Diskussion um Manager-Gehälter in Deutschland hat etwas Gespenstisches. Alle wissen, dass es für substanzielle Regelungen weder rechtlichen noch politischen Spielraum gibt. Volkswirtschaftlich ist die Größenordnung, um die es insgesamt geht, irrelevant.

Und im einzelnen Unternehmen würde sich eine massive Reduzierung der Manager-Bezüge allenfalls in fetteren Dividenden für Aktionäre oder Extra-Gewinnen für Eigentümer niederschlagen, nicht aber in mehr Arbeitsplätzen oder höheren Löhnen für die Belegschaft. Worum geht es also, wenn es um nichts Praktisches geht? Um Gerechtigkeit, sagen Frau Merkel und die SPD unisono. Ein skurriles Argument. Was jemand hierzulande verdient, hatte noch nie mit Gerechtigkeit zu tun. Wieso sonst verdient eine qualifizierte Krankenschwester nicht einmal halb so viel wie ein Büro-Angestellter in der "freien Wirtschaft"? Warum bleibt ein Sozialpädagoge mit akademischem Abschluss verdienstmäßig hinter einem Facharbeiter in einer halbwegs gutgehenden Branche weit zurück? Warum verdienen Verkäufer bei Aldi so schlecht und in der Werbeagentur so gut?Das regelt, ganz einfach, der Markt. Verdient wird, was jemand zu zahlen bereit ist. Deshalb kriegen übrigens talentierte 22-Jährige in kurzen Hosen für achtmal Training und zweimal Fußballspielen pro Woche mehr Geld als die meisten Vorstandsvorsitzenden. Und wir jubeln ihnen zu. Genauso wie Talkmastern oder Super-Models, von deren Einnahmen man locker eine halbe Bundesregierung finanzieren könnte. Wer da Gerechtigkeit oder Augenmaß zur verbindlichen Vorgabe machen will, muss sich fragen, wo er anfängt und wo er aufhört. Aber den Politikern, die diese Debatte vom Zaun gebrochen haben, geht es nicht um die Sache, sondern um Ressentiments. Sie haben eine Gruppe ausgemacht, die in ihrer Gesamtheit so unsympathisch daherkommt, dass sie sich als Prügelknabe bestens eignet.Dabei geht die Erkenntnis verloren, dass nicht die Manager über die Erfolgs-Kriterien entscheiden, nach denen eine Firma geführt wird. Ob man Nachhaltigkeit, soziale Balance und Stabilität als Erfolgsmaßstab einsetzt oder den schnellst- und größtmöglichen Profit, das entscheiden die Eigentümer oder Aktionäre. Die "Moral", die eingefordert wird, können Manager gar nicht leisten, wenn ihre Brötchengeber sie nicht wollen. Das wäre der Stoff für eine gesellschaftliche Diskussion. Aber die ist zu komplex und zu gefährlich für Wahlkämpfe. d.lintz@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort