"Wir ändern das Betriebssystem"

TRIER. Im Bistum Trier soll in den Pfarreien kein Stein mehr auf dem anderen bleiben. Die Umstrukturierung der Pfarreien stellt die Katholiken vor Ort vor eine große Herausforderung: Sie müssen demnächst entscheiden, ob ihre Pfarrei noch eine Zukunft hat.

Die nächsten Monate dürfte es heiße Diskussionen in den Pfarrgemeinderäten geben. Einige der gewählten Mitglieder-Vertreter müssen dann nämlich wohl oder übel über ihre Auflösung abstimmen. Falls sich nämlich herauskristallisieren sollte, dass ihre Pfarrei mit anderen fusioniert werden soll, dann werden sie überflüssig. "Ich wünsche mir eine ehrliche Bestandsaufnahme", hofft Eva Mertes, die Mitglied im Dekanatsrat Konz-Saarburg ist. Ein frommer Wunsch. Letztlich haben die Pfarrgemeinden den Schwarzen Peter und müssen über ihre Zukunft entscheiden. Ein geschickter Schachzug von Bischof Reinhard Marx. Er macht enge Vorgaben, wie die Neustrukturierung der Pfarreien aussehen soll und hofft, dass die Basis sie umsetzt. Ein "Zurückdelegieren" gebe es nicht. "Niemand kann sich aus der Verantwortung stehlen. Die Vorgaben sind klar, und daran müssen sich alle halten", warnt Marx. Die Pfarrei-Neugliederung wird langwieriger als die Umstrukturierung der Dekanate. Die vollzog sich nach anfänglichem Murren doch relativ geräuschlos. Innerhalb von zwei Jahren schrumpfte die Zahl der Dekanate von 75 auf 35. Marx weiß, dass das Projekt 2020 zur Neuordnung der Pfarreien nicht so lautlos vonstatten gehen wird. "Die werden mir nicht alle zujubeln. Das wird niemanden begeistern, wenn das Betriebssystem geändert wird." Doch es gebe halt keine Alternative: "Wir müssen uns neu aufstellen und mit weniger Geld eine gute Kirche machen." Kaum einer geht noch in die Kirche

Schuld daran sind vor allem die Schäfchen, die immer mehr der Kirche den Rücken kehren. 314 000 Mitglieder hat das Bistum seit 1980 verloren. In über der Hälfte der noch insgesamt 922 Pfarreien (von denen aber 859 nicht mehr eigenständig und in Seelsorgeeinheiten mit anderen Pfarreien zusammengeschlossen sind) gibt es weniger als 1500 Katholiken, in einigen sogar weniger als 50. Der prognostizierte demografische Rückgang trägt dazu bei, dass die Zahl weiter sinken wird. Von den 1,6 Millionen Katholiken, die zum Bistum Trier gehören, gehen gerade noch 13,9 Prozent in die Kirche. Selbst das Ja-Wort vor dem Altar ist out. Gerade mal 2864 Paare ließen sich im vergangenen Jahr von einem Pfarrer trauen, vor 25 Jahren waren es noch 10 000. Hinzu kommt noch ein akuter Priestermangel. Gerade noch 367 Pfarrer gibt es im Bistum. All das und nicht zuletzt der eiserne Sparwille des Bischofs haben zur Gründung des Projektes 2020 geführt. Und wie es auch bei Umstrukturierungen in der Wirtschaft ist, wird versucht, durch blumige Formulierungen die Vorteile zu verkaufen. Von "neuer Qualität der Seelsorge", "Präsenz der Kirche vor Ort" und "Neu ausrichten auf die Zukunft hin" ist in dem Projektplan die Rede. Bis 2008 will die Gruppe unter der Leitung des Pfarrers Martin Lörsch konkrete Pläne vorlegen, wie das Bistum dann aussehen soll. Doch die Vorgaben sind sehr deutlich: Mehr als 200 Pfarreinheiten soll es künftig nicht mehr geben. Wie groß die Einheiten und neuen Pfarreien sein werden, soll der Basis überlassen bleiben. Doch Marx hat auch dafür konkrete Vorstellungen: Zwischen 3000 auf dem Land und 15 000 in einer Stadt könne die Zahl der durch einen Pfarrer betreuten Katholiken variieren. Kleine Pfarreien mit weniger als 1500 Mitgliedern oder gar Mini-Pfarreien mit 50 Katholiken will Marx keine mehr haben. Zwar bleibt er unkonkret, wie sich das Leben in neuen, zusammengeschlossenen Pfarreien gestalten soll ("Das müssen die Katholiken vor Ort entscheiden"), doch lässt er keinen Zweifel, dass Aufgaben und Gottesdienste konzentriert werden: "Es muss ja nicht vier Fronleichnamsprozessionen in vier benachbarten Orten geben." Zwar will er auch bei Pfarrei-Fusionen nicht gleich alle weniger genutzten Kirchen dicht machen, doch es könnte durchaus sein, dass die Gläubigen künftig zum Sonntagsgottesdienst ein paar Kilometer fahren müssen. Auch wenn Marx vor "Schwarzmalerei" warnt, ist er sich bewusst, dass er von seinen Mitgliedern harte Einschnitte verlangt. Vorbild ist Trier

Daher verweist er immer wieder auf das Vorbild der Neustrukturierung. In Trier schrumpften zwischen 2000 und 2002 fünf Innenstadt-Pfarreien zu einer. Auch dort gab es anfangs heftige Wiederstände, doch mittlerweile läuft es wohl ganz gut in der neugegründeten Pfarrei Liebfrauen. Ein Pfarrgemeinde- und ein Verwaltungsrat machen nun die Arbeit, die vorher von zehn Gremien gemacht wurde. Und den Seelsorgern bleibt wieder mehr Zeit für die Betreuung der Gläubigen. Das Projekt 2020 sei eine Chance für die Ehrenamtlichen in den Pfarreien, glaubt die Projektreferentin Ute Wagner. Sie seien künftig stärker gefordert, das pastorale Leben vor Ort zu gestalten. "Aufbruch als Gemeinschaft nach innen und und außen" nennt Marx das und setzt darauf, dass die Schäfchen das auch so sehen.

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