Interview Malu Dreyer „Wir arbeiten an der Rückkehr zur alten Stärke“

Berlin · Die SPD-Vizevorsitzende über die beim Bundesparteitag anstehende Wahlentscheidung zwischen Andrea Nahles und Simone Lange.

 Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende.

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende.

Foto: dpa/Arne Dedert

Mit Spannung wird der SPD-Parteitag an diesem Sonntag in Wiesbaden erwartet, weil gegen Fraktionschefin Andrea Nahles auch die relativ unbekannte Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange für das Amt der Parteivorsitzenden kandidiert. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff fragte die stellvertretende Parteivorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (57) nach der Bedeutung des Treffens.

Frau Dreyer, wird mit dem Parteitag die innere Krise der SPD endlich beendet?

MALU DREYER In Wiesbaden geht es zum einen darum, eine neue Parteivorsitzende zu wählen, zum anderen wollen wir das Signal setzen, dass wir auf dem Weg der Erneuerung sind. Wir arbeiten sehr konzentriert daran, wieder zu unserer alten Stärke zurückzukehren.

Die Turbulenzen seit der Bundestagswahl haben viel mit Führungsversagen zu tun. Rechnen Sie sich da auch einen Anteil zu?

DREYER Da muss jeder selbst überlegen, welchen Beitrag er oder sie geleistet hat. Unsere Konsequenz ist jedenfalls, dass wir es in Zukunft besser machen wollen. Das haben wir uns im engen Führungsteam vorgenommen, und ich habe den Eindruck, dass uns das Zusammenspiel auch viel besser gelingt.

Beginnt Andrea Nahles geschwächt, wenn sie in Wiesbaden weniger als 80 Prozent bekommt?

DREYER Das sind doch reine Zahlenspiele. Es gibt zwei Kandidatinnen. Ich bin sicher, dass Andrea Nahles ein sehr gutes Ergebnis bekommt und eine sehr gute Parteivorsitzende wird.

Warum fasst die Partei die Gegenkandidatin Simone Lange mit so spitzen Fingern an? Ist so eine Gegenkandidatur nicht normal?

DREYER Ich habe nicht den Eindruck, dass das stimmt. Eine solche Kandidatur ist zwar ungewöhnlich, aber natürlich sieht unsere Satzung so etwas vor, und deshalb ist es auch absolut in Ordnung, dass Simone Lange kandidiert.

Warum ist etwas ungewöhnlich, was die Satzung vorsieht?

DREYER Weil es in der Praxis auf Bundesebene selten vorkam. Es ist aber nicht ungewollt, das ist Demokratie. Nur war es in den vergangenen Jahrzehnten eben nicht so, dass es mehrere Kandidaten für den Parteivorsitz gab.

Weil stets die Vorstände den nächsten Vorsitzenden bestimmten. Muss die Führung nicht endlich einen neuen Stil der Beteiligung üben?

DREYER Es ist die Aufgabe eines Vorstandes, einen Personalvorschlag zu machen. Das ist ein gewähltes Gremium und hat Führungsverantwortung. Die Entscheidung lag und liegt aber immer bei den Mitgliedern auf Parteitagen. Wir werden in der SPD intensiv über Organisationsfragen diskutieren und in diesem Rahmen auch über das Verfahren zur Wahl der Parteivorsitzenden.

Wie wäre es mit einer Urwahl?

DREYER Das gehört zu den Vorschlägen. Auch darüber werden wir sprechen.

Werden Sie in Wiesbaden Simone Lange wählen?

DREYER Ich werde ganz klar Andrea Nahles wählen.

Warum nicht Simone Lange?

DREYER Ich kann Ihnen nur sagen, warum ich Andrea Nahles wähle. Nämlich aus großer Überzeugung. Sie ist sehr kompetent, kennt die Partei auf allen Ebenen und hat Bodenhaftung. Mit ihr kann man in der Sache streiten, aber ihr ist immer daran gelegen, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

Die kontroverse Debatte um Hartz IV in der SPD will nicht abreißen. Wie bekommt man das beendet?

DREYER Im Rahmen unserer programmatischen Erneuerung müssen wir ganz zentral über das Thema Sozialstaat der Zukunft sprechen. Dazu gehört auch Hartz IV. Aber es wird nicht reichen, sich nur mit Hartz IV zu befassen. Es geht um eine viel umfassendere Herangehensweise. Im Übrigen haben wir im Koalitionsvertrag sehr viele Vorschläge durchgesetzt, um die Lage der Langzeitarbeitslosen zu verbessern. Diese werden wir sehr schnell umsetzen.

Geht es vielen in Wirklichkeit nur um die Abschaffung von Sanktionen?

DREYER Es gibt bei Hartz IV viele Wünsche und auch viele Emotionen. Deshalb ist es wichtig, dass wir darüber in der Partei auch diskutieren. Nur sollten wir uns nicht auf diesen einen Punkt reduzieren, sondern in die Zukunft blicken: Wohin entwickeln sich Arbeit und soziale Sicherungssysteme im Zeitalter der Digitalisierung?

Sie waren eine Skeptikerin der Groko. Nach den ersten Wochen: Sind Sie zufrieden?

DREYER Das war mit Sicherheit kein guter Start – vor allem seitens der Union. Ich hoffe und erwarte, dass die Kanzlerin jetzt ihren Leuten klarmacht, dass viel Arbeit ansteht. Im Koalitionsvertrag stehen sehr viele Dinge, die sozialdemokratische Anliegen sind. Ich möchte, dass sie von dieser Regierung auch schnell umgesetzt werden.

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