"Wir haben noch keine Luft"

BERLIN. Nach Ansicht von Fritz Schösser (SPD), Verwaltungsratschef des AOK-Bundesverbandes und Vertreter der Versichertenseite in dem Gremium, sind Beitragssenkungen auf weiter Flur noch nicht in Sicht. Mit ihren Überschüssen müssten die meisten Krankenkassen erst ihre Schulden abbauen, so Schösser im Interview mit unserer Zeitung. Gehaltserhöhungen von Kassenmanagern dürften, wenn überhaupt, nur moderat ausfallen.

Herr Schösser, Sie sind nicht nur SPD-Bundestagsabgeordneter, sondern auch Chef des Verwaltungsrates des AOK-Bundesverbandes. Warum sorgen Sie nicht dafür, dass die Kassenbeiträge sinken? Schösser: Ich bitte doch darum, die Situation ordentlich differenziert zu betrachten. Wir haben Kassen, die haben relativ hohe Schuldenstände, und diese Kassen machen seit Jahren dank eigener Einsparungen und dem Gesundheitsreformgesetz wieder ein Plus. Dann zu verlangen, dass sie im ersten Jahr diesen Überschuss voll in die Beiträge geben, wäre unverantwortlich. Das wäre eine Aufzugfahrt mit dem Beitrag, die weder den Versicherten noch den Arbeitgebern hilft. Ihre Ministerin Ulla Schmidt und Ihre Partei werden aber nicht müde, Beitragssenkungen zu fordern. Woher kommt der Widerspruch zu Ihnen? Schösser: Dass jemand, der ein Gesetz beschlossen hat, auch Erfolge sehen will, vor allem, wenn man eine gewisse Beitragshöhe angekündigt hat, das verstehe ich gut. Es gibt aber einige Kassen, denen die jetzigen Überschüsse noch keine Luft verschaffen. Wenn ich beispielsweise vor knapp einer Milliarde Euro Betriebsmittelkredit stehe, den ich laut Gesetz in vier Jahren abbauen soll, habe ich gar keine andere Wahl. Das gilt auch für den AOK-Bereich: Wir haben zwar gemessen am Gesamtsystem 600 Millionen Euro Überschuss. Aber vor dem Hintergrund relativ hoher Betriebsmittelkredite. Das heißt, alle Kassen müssen vorrangig Schulden abbauen. Die dies bereits getan haben und im guten Fahrwasser sind, sollten jedoch die Beiträge senken. Sie haben das Gesetz ja auch mit beschlossen. So, wie Sie aber nun argumentieren, müssten Sie Ulla Schmidt empfehlen, künftig mit Forderungen an die Krankenkassen vorsichtiger umzugehen. Schösser: Im Gesetz steht klar und deutlich, bis wann die Schulden abzubauen sind. Als Verantwortlicher in der Selbstverwaltung kann ich nur sagen, ich habe das Gesetz zu respektieren. Dennoch erhöht sich mancher Kassenmanager prompt sein Gehalt. Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen? Schösser: Das muss man die fragen, die sich die Gehälter erhöht haben. Da werde ich mir nicht anmaßen, den Oberlehrer zu spielen. Generell meine ich allerdings, eine Einkommenserhöhung passt nicht in die augenblickliche Landschaft. Nur: Wenn es mehrere Jahre keinen Anstieg gegeben hat, würde ich je nach Einzelfall nicht den Stab brechen wollen. Vor allem dann nicht, wenn die Erhöhung moderat erfolgt.

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