"Wir haben zu viele Eigentorschützen"

Berlin · Der geschäftsführende Vorstand der Linken will morgen über die innerparteiliche Forderung nach einem Mitgliedervotum über eine neue Führungsspitze entscheiden. Davon hält Ex-Parteichef Lafontaine nichts.

Berlin. Der ehemalige Parteivorsitzende und jetzige Linksfraktionschef im Saarland, Oskar Lafontaine, lehnt im TV-Interview ein Basisvotum über die Parteiführung ab. Im TV-Interview hält er sich zugleich eine Spitzenkandidatur für die nächste Bundestagswahl offen. Mit Lafontaine sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Lafontaine, warum fürchten Sie die eigene Parteibasis?
Lafontaine: Die habe ich noch nie gefürchtet. Ich habe als Erster vorgeschlagen, den verbindlichen Mitgliederentscheid in das Grundsatzprogramm der Partei aufzunehmen. An eine unverbindliche Befragung war nicht gedacht. Auch sollte man die Partei nicht Monate lang mit Personalfragen beschäftigen.

Mehrere Kreis- und Landesverbände fordern eine Basisbefragung. Missachten Sie da nicht demokratische Spielregeln, die gerade Ihre Partei immer wieder anmahnt?
Lafontaine: Es gehört zur Demokratie, Gesetze zu beachten. Das Parteiengesetz schreibt verbindlich die Wahl von Parteivorsitzenden durch Parteitage vor.

Mit Verlaub, über das amtierende Führungsduo Lötzsch und Ernst wird in Ihrer Partei seit Monaten wenig schmeichelhaft diskutiert. Und mit Dietmar Bartsch gibt es bereits einen erklärten Gegenkandidaten. Was sagen Sie dazu?
Lafontaine: Wir haben zu viele Eigentorschützen, die ununterbrochen über Personalfragen quatschen. Wenn eine Partei zu viele Eigentorschützen hat, siehe FDP, dann verliert sie erheblich in der Wählergunst. Dabei gibt es wahrlich genug Themen, die unsere Wähler interessieren. Das reicht von der Bewältigung der Bankenkrise bis zum Wiederaufbau des Sozialstaats. Hier haben wir überzeugende Vorschläge.

Tatsache bleibt, dass Sie zu Ihrem Ex-Bundesgeschäftsführer Bartsch ein sehr gespanntes Verhältnis haben. Wäre er trotzdem ein akzeptabler Vorsitzender?
Lafontaine: Es gehört zu meinen Grundsätzen, über Personalfragen nicht öffentlich zum falschen Zeitpunkt zu schwadronieren.

Würden Sie denn noch einmal für den Parteivorsitz kandidieren?
Lafontaine: Auch hier gilt, was ich gerade gesagt habe.

Ihr alter Freund Gregor Gysi hat Sie zu einer gemeinsamen Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl im Herbst 2013 aufgefordert. Sind Sie dazu bereit?
Lafontaine: Wenn die Entscheidung ansteht, dass ein Parteitag die Spitzenkandidatur festlegt, werde ich mich dazu erklären.

Im Herbst 2013 wäre Gysi 65, und Sie wären 70. Können es die Jüngeren bei den Linken nicht?
Lafontaine: Wir haben viele gute jüngere Politikerinnen und Politiker. Aber gelegentlich übersehen Journalisten, dass sich auch die Alterszusammensetzung der Wahlbevölkerung erheblich ändert.

Im Saarland scheinen die Weichen auf große Koalition zu stehen. Rechnen Sie noch mit Neuwahlen?
Lafontaine: Es spricht viel dafür, dass CDU und SPD im Land bereits verbindliche Absprachen für eine gemeinsame Regierung getroffen haben.

Für Ihre Partei wären Neuwahlen womöglich blamabel. Einer Umfrage zufolge hat sich die Zustimmung von gut 21 Prozent bei der letzten Wahl inzwischen fast halbiert ...
Lafontaine: Bislang hat jede Umfrage im Saarland, wie die anschließenden Wahlen gezeigt haben, die Linke um sechs Prozent zu niedrig bewertet. Aktuell würden wir also bei 18 und nicht bei zwölf Prozent liegen. Und für den Rest sorgen wir im Wahlkampf.
Extra

Das Saarland muss aus Sicht des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) nach dem Bruch der Jamaika-Koalition schnell wieder voll handlungsfähig werden. "Es geht jetzt um die Stabilisierung des Saarlandes", sagte Beck in Mainz. Er will dem Saar-SPD-Landeschef Heiko Maas keine öffentliche Empfehlung geben, ob eine große Koalition oder Neuwahlen sinnvoller wären. "Ich habe Kontakt mit Heiko Maas, wie immer eigentlich, aber keine öffentlichen Ratschläge. Er weiß genau, was er tut." dpa

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