"Wir machen die Arbeit und sollen dafür noch zahlen"

Den rheinland-pfälzischen Jägern reicht's: Aus Protest gegen die Jagdsteuer wollen sie kein bei Verkehrsunfällen getötetes Wild mehr entsorgen. Das führt zu Mehrarbeit und Mehrkosten bei Straßenmeistereien und Kommunen.

Trier. Von Freitag an wird Kurt Alexander Michael häufiger durchschlafen können. Der Pächter zweier Jagdbezirke zwischen Bitburg und Trier sowie laut Michael Tausende seiner Kollegen werden nämlich ab diesem Tag in eine Art Streik treten. Aus Verärgerung über die von den meisten rheinland-pfälzischen Kommunen erhobene Jagdsteuer wollen sie künftig kein getötetes Unfallwild mehr wegschaffen.

Wildunfälle passieren meistens in der Dämmerung oder nachts, besonders oft kracht's laut Statistiken im Herbst und im späten Frühjahr. Allein im Zuständigkeitsbereich der Bitburger Polizei gab es in diesem Jahr bislang 500 Wildunfälle; in ganz Rheinland-Pfalz sind es rund 13 000 im Jahr.

In den meisten Fällen ruft die Polizei dann den jeweiligen Jagdpächter oder -aufseher an, der rausgefahren kommt und das tote Tier entsorgt, heißt: im Wald vergräbt. "Allenfalls zum Eigenverbrauch" dürfe der Jäger etwa ein überfahrenes Reh noch mitnehmen. "Das ist aber die Ausnahme", sagt Michael.

Geht es nach dem Ließemer, wird sich diese Frage in Zukunft nicht mehr stellen. Denn um die Entsorgung sollen sich ab Freitag schließlich andere kümmern: Straßenmeistereien oder Kreisverwaltungen, jedenfalls nicht mehr die Jagdpächter. "Wir haben viel Arbeit mit der Geschichte, leisten in den Revieren effektiven Naturschutz und sollen dafür auch noch Steuern zahlen", meckert Kurt Michael: "Da fühlt man sich doch veräppelt."

Der Eifeler ist nicht nur Pächter zweier Reviere, sondern auch ein wahrer Multifunktionär: Präsident des Landesjagdverbands, Chef der Kreisgruppe Bitburg-Prüm, Vize-Präsident des Deutschen Jagdschutzverbands. Allein in Rheinland-Pfalz hat der Verband 18 000 Mitglieder.

Eines von ihnen ist der Bitburg-Prümer Landrat Joachim Streit. Er steckt in einer Zwickmühle. Als Jäger müsste er derzeit eigentlich Seit' an Seit' mit seinen Kollegen für die Abschaffung der Jagdsteuer kämpfen. Als Landrat wiederum müsste Streit alles daransetzen, dass seinem klammen Kreis die schöne Einnahmequelle von gut einer halben Million Euro jährlich nicht versiegt.

Und wie löst Streit das Problem? Geschickt. "Die Verwaltung begrüßt die Naturschutz- und Hegemaßnahmen der Jägerinnen und Jäger und stimmt einer Abschaffung durch das Land bei gleichzeitiger Kompensation zu", sagt Kreissprecherin Heike Frankiewitsch.

Heißt im Klartext: Alles bleibt beim Alten. Das Land stellt es den Kommunen zwar frei, die Jagdsteuer abzuschaffen (was rechtlich überdies umstritten ist), an einen finanziellen Ausgleich aber ist nicht gedacht. Deswegen kassieren die Kommunen die Steuer natürlich weiter und hoffen, dass die Jäger ihre Streik-Ankündigung nicht in die Tat umsetzen. Das sei doch mit dem Selbstverständnis der gewissenhaften Jäger nicht vereinbar, sagt Vulkaneifelkreis-Sprecherin Verena Bernardy. Extra Jagdsteuer: Im 19. Jahrhundert überließen die Länder den Gemeinden das Recht zur Erhebung einer Wildbretsteuer. Deren Höhe richtete sich nach dem Wert des erlegten Stück Wildes. Mit der Neuordnung des Kommunalabgabenrechts nach dem Ersten Weltkrieg wurde die heutige Form der Jagdsteuer begründet. Für Preußen wurde 1922, für das ganze Reichsgebiet 1937 eine einheitliche Mustersteuerordnung erstellt. Nach 1945 ist die Steuer in den neuen Kommunalabgabengesetzen der einzelnen Bundesländer verankert worden. Steuerpflichtig ist der Pächter einer Jagd. Grundlage der Jagdsteuer ist der Jahresjagdwert. Bei einer Verpachtung ist dies der mit dem Jagdpächter vereinbarte Preis. Nach dem Kommunalabgabengesetz können Kommunen bis zu 20 Prozent der Jagdpacht als Steuer erheben. Die Jagdsteuer wird nicht in allen Bundesländern erhoben, einige Bundesländer haben die Möglichkeit der Kreise zur Erhebung der Jagdsteuer aus ihren Kommunalabgabengesetzen gestrichen. Bereits abgeschafft wurde die Jagdsteuer nach Angaben des Internetdienstes Jagdlupe in Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen. (sey)

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