"Wir müssen Schengen verteidigen" - Interview mit Robert Goebbels, einem Vater des Schengen-Abkommens

Schengen · Robert Goebbels, 71, unterzeichnete als Außenstaatssekretär für Luxemburg 1985 den Schengener Vertrag. Mit ihm sprach unser Redakteur Bernd Wientjes.

Herr Goebbels, Sie sind einer der Väter des Schengen-Abkommens. Sind sie denn zufrieden mit ihrem Kind?

Robert Goebbels: Ja, sehr sogar. Es hat sich sehr gut entwickelt.

Inwiefern?

Goebbels: Heute gehören 26 Länder mit über 400 Millionen Einwohnern dazu. Schengen ist ein riesiger Erfolg, den die Bürger nicht mehr wahrnehmen, weil es selbstverständlich ist, sich frei innerhalb Europas zu bewegen.

Doch diese Freizügigkeit sehen ja die Schengen-Kritiker gerade als Gefahr an im Hinblick auf Kriminalität.

Goebbels: Man muss allen, die das sagen, klarmachen, dass die Bedrohung der Sicherheit und die Flüchtlingsproblematik nichts mit Schengen zu tun haben. Der beste Beweis: Großbritannien. Das Land ist nicht Mitglied im Schengen-Raum. Es kontrolliert seine nationalen Grenzen, hat aber mindestens genauso viel Kriminalität wie Deutschland und es hat mehr illegale Einwanderer als Frankreich. Das zeigt: Nicht Schengen ist das Problem.

Sie sind also klar gegen die Wiedereinführung von Grenzkontrollen?

Goebbels: Wenn man Freiheiten des Schengen-Abkommens abschaffen würde, würde das eine Revolte der Bürger nach sich ziehen. Daher finde ich die Idee von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gut, mal für sechs Monate wieder die Grenzen zu zu machen. Ich glaube, eine Woche würde genügen, dann würden die Leute gerade hier in unserem Grenzraum merken, was sie von offenen Grenzen haben. Es kommen täglich 170.000 Grenzgänger nach Luxemburg. Was glauben Sie, was die sagen würden, wenn die zwei Mal am Tag kontrolliert würden? Es gibt im gesamten Schengen-Raum jedes Jahr gut 1,5 Milliarden Grenzüberschreitungen. Wer soll die kontrollieren?

Ist Schengen durch die anhaltende Diskussion in Gefahr?

Goebbels: Ja, Schengen ist in Gefahr. Durch Populisten, die die Freizügigkeit abschaffen wollen. Daher müssen wir es verteidigen.Extra: Zur Person

Robert Goebbels, 71, geboren in Luxemburg-Stadt, war zunächst Journalist. 1984 wurde der Sozialist Staatssekretär für Außenbeziehungen. Ab 1989 war Goebbels Transport- und Bauminister. Von 1999 bis 2014 war er Europa-Parlamentarier. wie

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