"Wir reden über ein Whistleblower-Gesetz"

Ex-Justizministerin Brigitte Zypries ist Verhandlungsführerin der SPD in der Koalitionsarbeitsgruppe "Digitale Agenda". Dort dürfte nach dem Bekanntwerden des Lauschangriffs auf Angela Merkels Handy die NSA-Affäre eine große Rolle spielen. Unser Korrespondent Werner Kolhoff fragte Zypries nach den Konsequenzen.

Ich schalte das Telefon laut und mein Aufnahmegerät ein. Sonst hört niemand mit.
Brigitte Zypries (lacht): Ich bin hier im Bundestag extra in eine Telefonzelle gegangen.

Die wird auch nicht abhörsicher sein. Haben Sie sich vorstellen können, dass die Kanzlerin selbst ausgespäht wird?
Zypries: Vorstellen ja. Aber ich habe nicht wirklich geglaubt, dass das tatsächlich passiert.

Sie waren bis 2009 als Justizministerin selbst Regierungsmitglied. Fühlten Sie sich ausreichend vor einer Ausspähung geschützt?
Zypries: Wir hatten Kryptohan-dys mit Verschlüsselungstechnik, die wohl sicher waren, aber kompliziert zu handhaben. Ich habe, wenn es wichtig war, immer das direkte Gespräch bevorzugt.

Reicht die Telefonbeschwerde Angela Merkels bei Präsident Obama und das Einbestellen des US-Botschafters als Konsequenz aus?
Zypries: Wenn der Sachverhalt so stimmt - das muss die Regierung noch weiter aufklären -, dann kann man durchaus noch deutlicher werden. Es gibt auf der Klaviatur der Diplomatie noch mehr Möglichkeiten. Deutschland kann zum Beispiel von Washington ein offenes Eingeständnis verlangen. Die derzeitige Formulierung der US-Administration, dass man Merkel nicht abhöre und nicht abhören werde, lässt ja ausdrücklich offen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Und wenn sich der Sachverhalt bestätigen sollte, dann kann Deutschland auch eine offizielle Entschuldigung verlangen.

Im Sommer wurde vielfach gefordert, die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen auszusetzen, bis die Amerikaner garantieren, dass sie ihre Praxis stoppen. Sollte man drauf jetzt zurückkommen?
Zypries: Es war schon mal gut, dass das Europäische Parlament mit der Aussetzung des Swift-Abkommens über die Übermittlung von Bankdaten jetzt sehr viel offensiver reagiert hat. Was die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen angeht, so ist das Sache der EU-Kommission. Ich hoffe, dass das Thema beim laufenden EU-Gipfel wenigstens informell erörtert wird.

Edward Snowden hat die ganze Affäre ins Rollen gebracht und büßt dafür mit drohender Strafverfolgung aus den USA. Zeigt der Fall nicht, dass ein Whistleblower-Gesetz nötig ist, das Menschen schützt, die aus hehren Motiven auf Missstände hinweisen und dafür Gesetze verletzen?
Zypries: Die SPD hatte ein solches Gesetz schon in der letzen Legislaturperiode vorgelegt. Ja, das Thema wird sicher wieder Gegenstand der Koalitionsverhandlungen sein.

Welche weiteren Konsequenzen sehen Sie im Koalitionsvertrag?
Zypries: Unter anderem muss das Thema Deutsche IT, sichere Endgeräte, deutsche beziehungsweise europäische Cloud auf die Tagesordnung. wk
Extra

Brigitte Zypries (59) war von 2002 bis 2009 Bundesministerin der Justiz in den Kabinetten von Kanzler Gerhard Schröder und Kanzlerin Angela Merkel. Seit 2009 ist sie Justiziarin der SPD-Bundestagsfraktion. Foto: dpa

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