"Wir sind als Land sehr gut vorbereitet"

Mainz · Was plant Rot-Grün 2015 in Rheinland-Pfalz? Die Fraktionschefs Alexander Schweitzer (SPD) und Daniel Köbler (Grüne) verraten im TV-Interview, dass unter anderem mit der CDU über die Kommunalreform gerungen wird.

Mainz. Der erste Nationalpark in Rheinland-Pfalz kommt, am Transparenzgesetz und einem neuen Gesetz für attraktivere Innenstädte wird gearbeitet: Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen sehen sich für 2015 gut aufgestellt. Das meinen die Fraktionschefs Alexander Schweitzer (SPD) und Daniel Köbler (Grüne) im Interview mit TV-Redakteur Frank Giarra.
Herr Schweitzer, haben Sie schon mit Ex-SPD-Chef Franz Müntefering gesprochen?
Alexander Schweitzer: Franz Müntefering? Ich habe seit einigen Jahren nicht mit ihm gesprochen. Aber der Hintergrund Ihrer Frage interessiert mich.

Als künftiger Oppositionsführer im Landtag könnten Sie Müntefering fragen, warum Opposition Mist ist, wie er mal sagte.
Schweitzer: Dass Opposition Mist ist, weiß ich ja. Daher sind wir sicher und auch darauf vorbereitet, dass wir auch nach der Landtagswahl 2016 Regierungsfraktion sein werden.

Seit einem halben Jahr sagen alle Umfragen das Gegenteil. Eine rot-grüne Mehrheit ist nirgendwo auch nur ansatzweise in Sicht.
Schweitzer: Als Regierungsfraktion in Umfragen erst zurückzuliegen, ist ein bekanntes Phänomen. Das konnte man schon vor den Landtagswahlen 2006 und 2011 beobachten, wo wir in Umfragen jeweils deutlich hinter der CDU zurücklagen - um am Ende zu gewinnen. Wenn der Wahlkampf richtig beginnt und die Themen plastisch werden, bin ich absolut zuversichtlich, dass sich das Blatt noch wenden wird.

Wie bewerten Sie denn die Schwäche Ihres Koalitionspartners in den Umfragen, Herr Köbler? Die Grünen selbst stehen ja recht ordentlich da.
Daniel Köbler: Wir stehen hervorragend da, auch wenn man Umfragen nicht überbewerten sollte. Ich glaube, dass die Menschen am Ende danach entscheiden, wer für gute, verlässliche und zukunftsorientierte Politik steht. Die Landesregierung hat viele Erfolge vorzuweisen. Und wir haben noch viel vor.

2014 war doch nicht gerade ein glückliches Jahr für Rot-Grün. Immerhin sah sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer genötigt, ihr Kabinett groß umzubauen.
Köbler: Ich bin mit 2014 absolut zufrieden. Wir haben einiges abgearbeitet und auf den Weg gebracht. Ich erinnere ans Klimaschutzgesetz oder an das Thema Inklusion in der Schule.

Sind Sie auch zufrieden, Herr Schweitzer?
Schweitzer: Es ist natürlich niemandem verborgen geblieben, dass 2014 für die Sozialdemokraten ein ereignisreiches Jahr war. Aber es war auch erfolgreich. Wir können konstatieren, dass es niemals mehr Beschäftigte in Rheinland-Pfalz gab und dass wir im Bundesländer-Vergleich gute Arbeitsmarktzahlen haben. Die wirtschaftliche Entwicklung ist positiv, und wir haben einen weiteren Anstieg der Unterrichtsversorgung an den Schulen.

Sie hatten jedoch arg mit Altlasten wie dem Nürburgring zu kämpfen. Und etliche SPD-Minister wurden ausgetauscht.
Schweitzer: Dass wir mit den Problemen der vergangenen Wahlperioden zu tun hatten, sehen Sie schon allein daran, dass Sie es heute mit mir als SPD-Fraktionsvorsitzendem zu tun haben. Aber man merkt deutlich an der Körpersprache der SPD, dass uns die personellen Wechsel Rückenwind gegeben haben. Wir sind wieder selbstbewusster.

Wie erklären Sie sich, dass die CDU-Opposition laut Umfragen vor Kraft kaum laufen kann, wenn Sie angeblich so erfolgreich sind?
Schweitzer: Ich finde es müßig, in Umfragewerten herumzuanalysieren. Man muss sehen, dass die CDU sicherlich komplett ausmobilisiert ist. Sie hat den Wähleranteil, den früher die FDP hatte, inzwischen komplett übernommen. Ihr Wunschkoalitionspartner spielt parlamentarisch und politisch keine Rolle mehr. Nicht zuletzt wirkt in Umfragen immer auch der Bundestrend. Da ist die SPD nicht da, wo sie hingehört, nämlich weit über 30 Prozent.

Sie sagten, Sie hätten 2015 viel vor, Herr Köbler. Was denn?
Köbler: Ich freue mich auf die Eröffnung des Nationalparks. Das ist ein wichtiges grünes Projekt und vor allem eine große Chance für die Region. Wir werden das Klimaschutzkonzept der Regierung erarbeiten, und das Transparenzgesetz wird für uns ein großer Schwerpunkt sein. Dabei geht es darum, dass sich die Verwaltungen den Bürgern noch stärker öffnen. Dazu kommt die Diskussion um mehr Bürgerbeteiligung auf Landes- und auf Kommunalebene.
Was sind die Schwerpunkte der SPD in diesem Jahr?
Schweitzer: Wir arbeiten daran, dass der Mittelstand und die Industrie weiter eine gute Grundlage für gutes Wirtschaften haben. Die Fachkräftestrategie, die wir gemeinsam erarbeitet haben, wird umgesetzt. Der demografische Wandel bleibt eine zentrale Herausforderung. Ich setze darauf, dass wir unser Zukunftsprogramm Gesundheit und Pflege 2020 umsetzen und weiterentwickeln. Das sind Themen, die mit der Lebenswirklichkeit der Menschen viel mehr zu tun haben als die Frage, ob jemand ein Kopftuch trägt oder nicht.

In der Flüchtlingspolitik fordern die Kommunen mehr Geld vom Land. Die CDU wirft der Landesregierung Versäumnisse vor und plant einen Flüchtlingsgipfel.
Köbler: Es sind große Herausforderungen, denen sich alle Beteiligten zu stellen haben. Wir sind als Land sehr gut vorbereitet. Der Bund hat sich an vielen Stellen noch nicht ausreichend bewegt, was die finanzielle Unterstützung oder das zur Verfügungstellen von Liegenschaften angeht, Stichwort Bundeswehrkasernen.
Schweitzer: Wir haben in Rheinland-Pfalz unsere Hausaufgaben gemacht und etwa außerplanmäßige Mittel von 45 Millionen Euro bereitgestellt. Vizekanzler Sigmar Gabriel hat klar herausgestellt, dass eigentlich der Bund die Kosten für die Unterkunft der Flüchtlinge übernehmen müsste. Das ist ein kluger Vorschlag. Es geht um Sachthemen und nicht um Politiksimulationen. Nichts anderes ist es, wenn man zu einem Gipfel einlädt, der ja nur eine erweiterte CDU-Landesvorstandssitzung wird.

Stichwort Kommunalreform: 2014 ist entgegen Ihren Plänen in Sachen Landkreise und Stadt-Umland-Beziehungen nichts passiert.
Köbler: Der Abschluss der ersten Stufe mit den Gebietsreformen läuft ja weiter. Und die zweite Stufe wird gerade vorbereitet. Dazu gab es erste Gespräche auch mit der Opposition. Wir meinen, dass man alles Weitere auf eine solide Datengrundlage stellen muss, Stichwort Aufgabenkritik und Analyse der aktuellen Struktur. Es ist sinnvoll, sich dazu eine gutachterliche Expertise einzuholen, um nicht in parteipolitisches Gezänk zu verfallen.

Was soll konkret passieren?
Schweitzer: Die drei Fraktionsvorsitzenden haben mit der Ministerpräsidentin und dem Innenminister einen Fahrplan besprochen. Zunächst soll ein Kriterienkatalog erstellt werden. Auch die Stadt-Umland-Beziehungen werden beleuchtet. Ich hoffe, dass es bei der verabredeten Verbindlichkeit bleibt. Mein Appell an die CDU lautet daher: Sie soll sich zu ihrer Verantwortung als Kommunalpartei bekennen und konstruktiv mitarbeiten.

Es gibt doch schon Gutachten. Was soll ein neues zutage fördern?
Schweitzer: Wir müssen uns insbesondere anschauen, wie sich die kreisfreien Städte zu ihrem Umland verhalten und umgekehrt. Dazu gibt es noch keine gutachterlichen Grundlagen, die von uns allen anerkannt sind.

Plant Rot-Grün ein Jahr vor der Landtagswahl noch neue Gesetze?
Schweitzer: Ja, wir planen unter anderem ein Gesetz, um Innenstädte wirtschaftlich und städtebaulich zu entwickeln. Die Kommunalverwaltungen sollen in die Lage versetzt werden, über eine Umlage oder Abgabe Quartiere oder Stadtteile zu ertüchtigen. Das haben uns Einzelhandel, Kammern und Verbände als großes Anliegen geschildert.

Was heißt das konkret?
Schweitzer: Die Beteiligten, also Händler und Anwohner, zahlen zur Ertüchtigung ihres Wohn- und Wirtschaftsumfeldes. Das Geld fließt in einen Topf, und die Kommune berät dann mit den jeweiligen Partnern in einer Stadt, was damit gemacht wird.
Köbler: Die Kommunen haben demnach die Möglichkeit, diese Modelle selber umzusetzen.

Aber warum bedarf es dazu eines Landesgesetzes?
Köbler: Oft ist es so, dass es in Straßengemeinschaften ein Dutzend Geschäfte gibt, aber nur neun mitmachen, wenn es um die gemeinsame Gestaltung der Bürgersteige oder der Beleuchtung geht, während die anderen nur profitieren. Es gibt in Rheinland-Pfalz keine Rechtsgrundlage für Kommunen, Abgaben oder Umlagen verbindlich für alle einzuführen. Hier ist das Land gefragt.
Gibt es für die Rheinland-Pfälzer weitere Änderungen, die direkten Einfluss auf ihr Leben haben?
Köbler: Wir werden die Landesbauordnung ändern. Bei Bauprojekten werden dann künftig zwei Dinge beachtet: Die Benutzung für Menschen, die eingeschränkt in ihrer Mobilität sind, und eine erleichterte Eigenproduktion von erneuerbaren Energien.fcg

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