"Wir sind Anwalt der kleinen Leute"

Als Volkspartei mit sozialem Herz, so will ihr neuer Generalsekretär Hermann Gröhe die CDU positionieren. In der Koalition mit der FDP sind da Konflikte programmiert.

Berlin. (wk) Wie die Union sie bewältigen will, erläuterte der 48-jährige Politiker aus Neuss, der zu den engsten Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel gehört, unserem Korrespondenten Werner Kolhoff.

Sie haben bei der SPD gesehen, wie schnell eine Volkspartei schrumpfen kann. Macht Ihnen das Sorgen?

Hermann Gröhe: Ich sehe das in der Tat mit Besorgnis. Es ist meine Überzeugung, dass es gut für unsere Demokratie ist, wenn mehrere Parteien den Anspruch haben, Volkspartei zu sein und Politik für alle Menschen in unserem Land zu machen. Auch insofern ist der Niedergang der SPD ein Problem.

Wie analysieren Sie denn das, was der SPD passiert ist? Könnte Ihnen so was auch passieren?

Gröhe: Schröder hat mit seiner Basta-Politik keinerlei Rücksicht auf die eigene Partei genommen. Das hat Vertrauen zerstört und Bindungen zerbrochen. Diesen Fehler werden wir als CDU nicht machen. Politische Führung beruht auf Glaubwürdigkeit und Überzeugungsarbeit - nicht auf Machtworten. Zugleich ist uns bewusst: Den Anspruch, Volkspartei zu sein, müssen wir uns in einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft immer wieder neu erarbeiten. Man darf sich nie auf Lorbeeren aus der Vergangenheit ausruhen.

Beispiel Familienpolitik. Für Ihre modernen Wähler wollen Sie die Angebote zur Kinderbetreuung ausbauen und für ihre Stammwähler künftig jene Mütter, die ihr Kind zu Hause lassen, mit einem Betreuungsgeld belohnen. Das beißt sich doch.

Gröhe: Nein! Denn unser Leitbild ist die Wahlfreiheit. Wir vertrauen Frauen und Männern, dass sie selbst am besten wissen, welche Arbeitsteilung für ihre Situation und für das Wohl ihrer Kinder die richtige ist. Deswegen gehören der Ausbau der Betreuungsangebote, mehr Kindergeld, die Verteidigung des Ehegattensplittings und das Betreuungsgeld zusammen. Dabei müssen wir sicherstellen, dass falsche Anreize vermieden werden.

Wie gefährlich ist die von der FDP geforderte Kopfpauschale in der Gesundheitsversicherung für den Ruf der CDU als Volkspartei? Gröhe: Die große Volkspartei CDU ist immer auch Anwalt der "kleinen Leute". Angesichts einer erfreulicherweise weiter steigenden Lebenserwartung und des medizinischen Fortschritts ist es allerdings richtig, die Gesundheitskosten stärker von den Arbeitskosten zu trennen. Dies ist mit uns allerdings nur zu machen, wenn ein funktionierender Sozialausgleich mit Steuermitteln sicherstellt, dass niemand zum Bittsteller wird und dass moderne medizinische Hilfe allen unabhängig vom Geldbeutel zur Verfügung steht.

Betonen Sie die soziale Komponente Ihrer Politik, weil Ihnen ein mögliches Linksbündnis im Nacken sitzt und Sie treibt?

Gröhe: Eine menschliche Gesellschaft und ein moderner Sozialstaat waren die Anliegen der CDU schon lange, bevor die Linke mit ihren Neid- und Klassenkampfsprüchen loslegte. Unsere Sozialsysteme sind wesentlich von der CDU entwickelt. Aber natürlich nehmen wir die rasante Annäherung von SPD, Linken und Teilen der Grünen wahr. Ich fand es im Übrigen schäbig, wie mancher in der SPD die Erkrankung von Lafontaine zum Anlass genommen hat, darin vor allem eine Erleichterung für eine künftige Zusammenarbeit zu sehen. Das zeigt, dass viele in der SPD Rot-Rot vor allem wegen persönlicher Verletzungen und gekränkter Eitelkeit ausgeschlossen haben. Steinmeiers Werben um Herrn Bartsch, nun bald eine gemeinsame "Denkfabrik" rot-roter Träumereien - das zeigt den neuen Linkskurs der SPD. Natürlich würde man in NRW ein Linksbündnis schließen, wenn es möglich wäre.

Wenn Sie die Steuern senken, machen Sie den Staat arm, vor allem die Kommunen.

Für uns ist die Handlungsfähigkeit der Politik vor Ort ein zentrales Anliegen. Schließlich sind wir die größte Kommunalpartei in Deutschland. Wachstumsimpulse nützen auch den Kommunen, müssen aber für alle öffentlichen Haushalte vertretbar sein.

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