"Wir sind die eierlegende Wollmilchsau"

Bernkastel-Kues · Der Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Gerd Billen, fordert die Schaffung eines Bundesamtes für Lebensmittelkontrolle. Das macht er bei einer Bundestagung von Lebensmittelkontrolleuren in Bernkastel-Kues deutlich.

Bernkastel-Kues. Gerd Billen kennt sich mit Lebensmitteln aus. Und das nicht nur, weil er Ernährungswissenschaftler und als Vorsitzender des Verbraucherzentrale Bundesverbandes quasi oberster Verbraucherschützer Deutschlands ist. Der 56-Jährige ist sozusagen von Hause aus Lebensmittelexperte. Seine Mutter habe in seinem Geburtsort Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm) einen Kolonialwarenladen betrieben und neben Kleidern auch etwa Milch oder Senf aus dem Topf verkauft, sagt er zu den im Hotel Moselpark in Bernkastel-Kues versammelten Lebensmittelkontrolleuren aus ganz Deutschland.
Dabei hätten seine Mutter und er auch Erfahrung mit der Lebensmittelkontrolle gemacht, schmunzelt der gebürtige Eifeler - und lobt dann die Arbeit der Kontrolleure. Doch es müsse in jedem Bundesland gleich hohe Standards geben, ergänzt Billen. Am besten wäre es, wenn die Lebensmittelkontrolle Sache des Bundes werden würde. So wie bei der Finanzaufsicht müsse auch für die Kontrolle von Lebensmitteln ein Bundesamt her. "Wir brauchen Spezialeinheiten für die Kontrolle der Lebensmittelproduzenten", fordert Billen. Auch der Bundesvorsitzende des Verbandes der Lebensmittelkontrolleure, Martin Müller, macht sich für eine Neuorganisation der Lebensmittelkontrolle stark, weg von den Kommunen - derzeit sind die Kontrolleure bei den Kreisen und kreisfreien Städten beschäftigt -, um unabhängiger zu werden.
Doch bei Bund und Land stößt die Idee auf wenig Gegenliebe. Wegen der Ortsnähe sei die Zuständigkeit von Kommunen richtig, sagt Hugo Mack vom rheinland-pfälzischen Verbraucherschutzministerium. Auch der Vertreter des Bundeslandwirtschaftsministeriums winkt bei der Forderung nach einem Bundesamt ab.
Die Lebensmittelkontrolleure könnten auf "eine große Erfahrung mit den Betrieben in ihrem Beritt zurückgreifen und Problembetriebe bei ihren Kontrollen häufiger ansteuern", sagt Achim Ginkel vom Landesuntersuchungsamt in Koblenz auf TV-Anfrage. Lebensmittel- und Weinkontrolleure überprüften 2010 insgesamt 26 460 Betriebe im Land. In 8200 dieser Betriebe haben die Kontrolleure laut Ginkel insgesamt 13 217 Verstöße festgestellt, zumeist Hygienemängel, unsachgemäßen Umgang mit Lebensmitteln oder fehlerhafte Produktkennzeichnungen.
Viele Kontrolleure fühlen sich überfordert. Das wird bei der Tagung in Bernkastel-Kues deutlich. Sie können wegen zunehmender Anforderungen bei wenig Personal kaum noch ihrer eigentlichen Aufgabe, der Kontrolle von Betrieben, nachkommen. "Wir sind die eierlegende Wollmilchsau", bringt der Landesvorsitzende des Verbandes der Lebensmittelkontrolleure, Karl-Heinz Leibig, das Dilemma vieler seiner Kollegen auf den Punkt. Sie seien Landwirt, Pharmazeut, Prediger, Polizist, Detektiv und Jurist in einer Person, und das ohne entsprechende Ausbildung. "Wir tun alles für die Verbraucher, was in unserer Macht steht, manchmal sind wir aber machtlos", sagt Leibig.
Genau dann, wenn die Kontrolle aus welchem Grund auch immer versagt, sinkt das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittel. Denen müssten die Menschen aber vertrauen können, sagt Billen. Und: Die Lebensmittel seien in Deutschland sehr sicher. Das müsse dem Verbraucher vermittelt werden.Extra

In der Region Trier sind bei den vier Kreisverwaltungen und der Stadt Trier insgesamt 14 Lebensmittelkontrolleure beschäftigt: Bernkastel-Wittlich: 3 Eifelkreis Bitburg-Prüm: 2 Trier-Saarburg: 4 Vulkaneifel: 1 Trier: 4 (Quelle: Landesverband der Lebensmittelkontrolleure)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort