"Wir sind doch keine Glatzköppe"

DAMFLOS/TRIER. Für hohe Wellen im Hochwald hat ein großer Polizei-Einsatz am Samstag bei Damflos (Kreis Trier-Saarburg) gesorgt. Am frühen Morgenlösten Beamte dort ein Treffen auf - von harmlosen Fahrzeug-Freaks, sagt der Organisator. Von Neonazis, vermutet die Polizei.

Früh um sieben war die Nacht zu Ende: Die rund 30 Männer, die in der Waldhütte bei Damflos nach reichlichem Alkoholgenuss auf Feldbetten und Luftmatratzen dem Samstag entgegenschlummern, schrecken aus dem Schlaf hoch. Es klopft an der Tür, dann nimmt ihnen der grelle Strahl von Taschenlampen die Sicht. Beamte mit Maschinenpistolen, Schlagstöcken und Hunden führen die Männer aus der Hütte und stellen sie draußen auf. So schildert Harald Kaub, Organisator des aufgelösten Treffens, das, was vorgestern in der Nähe seines Heimatortes Damflos geschah. Dann habe man die Männer einzeln mit einem Namensschild fotografiert und sie sowie ihre Fahrzeuge durchsucht. Bis zum Mittag habe das gedauert.Die zwischen zwölf und 76 Jahre alten Männer waren aus dem gesamten Bundesgebiet nach Damflos gekommen, um sich, wie Kaub sagt, über ihr gemeinsames Hobby auszutauschen: historische Militärfahrzeuge. Das Faszinierende an diesen Maschinen sei, dass sie ihrer Zeit ein Stück weit voraus gewesen seien, sagt der 46-Jährige. Er streitet jeden politischen Hintergrund ab: "Die Fahrzeuge können doch nichts dafür, dass sie aus dem Krieg sind."Als "Überfall" von 70 bis 80 Polizisten bezeichnet Kaub die Aktion. Nachdem die Beamten "nichts Richtiges" gefunden hätten, habe es geheißen, es sei verboten, sich zu uniformieren. Dabei habe man nur zu den Fahrzeugen passende Kleidung tragen wollen - meist von der Bundeswehr, aus Army- oder Nato-Shops. "Wir sind doch keine Glatzköppe, keine Neonazis!"Mehr als 20 Verfahren eingeleitet

"Der Anschein war ein ganz anderer", hält Werner Funk, der verantwortliche Einsatzleiter der Polizei, dagegen. Die endgültige Bewertung obliege Staatsanwaltschaft und Gericht, doch man habe zahlreiche Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen gefunden - Originaluniformen und Uniformteile mit Zeichen aus dem Zweiten Weltkrieg, Koppelschnallen mit Hakenkreuz, Zeitschriften, CDs und Videokassetten. Die meisten der Männer hätten militärische Tarnanzüge getragen. Mehr als 20 strafrechtliche Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden - wegen des Verdachts des Verbreitens und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie wegen des Verdachts der verbotenen Uniformierung in der Öffentlichkeit als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung. "Da stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht mehr", meint Funk. Zudem habe es "polizeiliche Erkenntnisse" gegeben, dass in Damflos eine Wehrsportübung stattfinde. "Dabei gibt es üblicherweise massive Verstöße gegen das Waffengesetz." Schon aus "Eigensicherungsgründen" habe man deshalb mit einem gewissen Polizei-Aufgebot antreten müssen - die von Kaub genannte Zahl von 70 bis 80 Polizisten sei allerdings "deutlich zu hoch".Der Organisator indes versteht die Aufregung nicht. Es sei bereits das dritte Treffen in Damflos gewesen, die Veranstaltungen hätten immer allen offen gestanden, selbst Polizisten hätten als Privatleute daran teilgenommen. Nie habe es Probleme gegeben. Die konfiszierte Wehrmachtsjacke? Sie habe dem Großvater eines Kollegen gehört. "Und dieser Opa war doch ein ganz normaler Soldat, kein Verbrecher!" Dass man mit der Zeit des Nationalsozialismus sensibel umgehen müsse, sehe er ein. "Aber die Politik ist doch von den ganz normalen Vorfahren zu trennen!"Der Damfloser Ortsbürgermeister Joachim Wellenberg fuhr am Vormittag nach einem Anruf der Polizei zur Waldhütte. Die Männer seien von der Aktion überrascht gewesen, berichtet er. Zum politischen Hintergrund der meisten könne er nichts sagen. Kaub aber kenne er als "ganz normalen Menschen". Die für Samstag geplante Rundfahrt wurde verboten, das Treffen, das bis Sonntag dauern sollte, ebenso aufgelöst wie der Mietvertrag für die Gemeinde-eigene Hütte. Das sei keine Vorverurteilung, betont Wellenberg. "Aber wenn so etwas passiert und die Leute bleiben, wirft das ein schlechtes Bild auf den Ort." Auch eine Neuauflage der Treffen von Militärfahrzeug-Freunden werde es mit ihm nicht geben: "Wir sind ein ganz ruhiger Ort, mit der Polizei hatten wir nie etwas zu tun. Und das soll auch so bleiben."Ob das für Freitagabend in der Region angekündigte Konzert rechtextremistischer Liedermacher (der TV berichtete) stattgefunden hat, ist indes unklar. Polizei und Bundesgrenzschutz zeigten am Treffpunkt, dem Trierer Hauptbahnhof, verstärkt Präsenz. Doch alles blieb ruhig.

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