Wir sind nicht neutral

Deutschland ist Zielscheibe. Warum sollten Terroristen nach dem Scheitern in London nicht versuchen, Flugzeuge auf dem Weg von Frankfurt in die USA zu kapern oder zu sprengen? Es ist naiv zu glauben, nur die Koalition der Willigen, nur die USA, Großbritannien oder Spanien seien gefährdet.

Die Bundesrepublik ist auch politisch nicht neutral. Sie ist längst Akteur im internationalen Anti-Terrorkampf. In Afghanistan, am Horn von Afrika, womöglich bald als Freund Israels im Libanon. Die Mär von der unabhängigen deutschen Position wurde zwar lange Zeit zur nationalen Beruhigung gehegt und gepflegt. Aus Sicht islamischer Terroristen hat Deutschland diese Stellung jedoch nie gehabt. Und wenn doch, dann nicht mehr, seit Bundeskanzlerin Angela Merkel den neuen Schulterschluss mit den USA begründet hat. Das alles hat Folgen. Terrorexperten sagen schon lange, dass es nicht mehr eine Frage des Ob, sondern nur noch eine Frage des Wann ist, dass Terroristen versuchen werden, in Deutschland zuzuschlagen. Seit den Attentaten vom 11. September 2001 in New York wurden deshalb umfangreiche Sicherheitspakete verabschiedet, um der Gefahr zu begegnen - von der Telefonüberwachung über den Lauschangriff bis hin zur Rasterfahndung oder neuen Polizeikompetenzen. Sicherheit auf höchstem Niveau hat die Politik versprochen und jeder Bürger zu Recht erwartet. Die damalige Debatte über überzogene Einschränkungen von Freiheitsrechten klingt aber bis heute nach. Richtig ist: Die bisherigen Sicherheitsmaßnahmen und rechtlichen Eingriffe haben das Leben der Menschen nicht bemerkenswert verändert. Außer vielleicht durch Unbequemlichkeiten an Flughäfen. In anderen Ländern ist das anders. Man muss nur in die USA blicken. Wer nun nach den Ereignissen von London über neue Sicherheitsgesetze und verschärfte Vorkehrungen in Deutschland nachdenkt, dem muss klar sein: Die Herausforderung beim Anti-Terror-Kampf besteht darin, Polizei und Geheimdienste in die Lage zu versetzen, wie in Großbritannien frühzeitig terroristische Vorhaben erkennen zu können, um sie zu verhindern. Daran müssen sich neue wie alte Maßnahmen stets messen lassen. Die Anti-Terror-Datei, zu der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der Sommerpause einen Gesetzentwurf vorlegen will, wäre mit diesem Ziel vereinbar. Es ist schlichtweg fahrlässig, wenn drei Dutzend Sicherheitsbehörden nebeneinander und nicht miteinander arbeiten, wenn die Erkenntnisse der Behörden nicht vernetzt werden. Wohl wahr, die Trennung von Geheimdiensten und Polizei ist ein hehres verfassungsrechtliches Prinzip. Ist aber klar definiert, in welchen Fällen der Informationsaustausch stattfinden darf, wird man sowohl der Verfassung als auch der Terrorbekämpfung gerecht werden können. Grundsätzlich gilt: Um Attentate verhindern zu wollen, muss man in der Wahl der Mittel besonnen sein, man muss überlegt und effektiv handeln. Was unnütz ist, ist das Hervorholen von alten Hüten. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist so einer. Für die Prävention wäre er nämlich vollkommen wirkungslos. nachrichten.red@volksfreund.de

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