"Wir stehen vor einer neuen Bedrohungslage"

Der Staat werde vor Gewaltexzessen wie bei der Hooligan-Demo in Köln nicht wegschauen, sondern hart durchgreifen. Das kündigt der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) im TV-Interview an. Er ruft zu gesellschaftlichem Engangement gegen Rechts auf. Lewentz ist ab Januar Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Mit ihm sprach TV-Redakteur Bernd Wientjes.

Herr Lewentz, wie beurteilen Sie die rechtsextreme Szene?
Roger Lewentz: Die Szene ist sehr ernst zu nehmen. Es gibt auch in Rheinland-Pfalz rechtsextremes Potenzial. Wir gehen von einem harten Kern von 660 Rechtsextremen aus, davon 150 Gewaltbereite. Verbünden sich diese Rechtsextremen, wie jetzt geschehen in Köln oder Hannover, mit Hooligans, dann ist das eine enorme Herausforderung für den Rechtsstaat.
Inwiefern?
Lewentz: Bei diesen Demos versuchen sich äußerst gewaltbereite Gruppierungen zusammenzutun. Noch wissen wir nicht, ob das eine dauerhafte Bedrohungslage sein wird. Aber wir haben ja in Köln gesehen, was es heißt, wenn 5000 Schläger auf der Straße unterwegs sind, dann haben wir unglaublich viel Polizei einzusetzen. Denn eins ist klar, und das sage ich auch als Vorsitzender der Innenministerkonferenz 2015 ab Januar: Der Staat wird bei solchen Gewaltexzessen nicht wegschauen und wir werden mit den uns zur Verfügung stehenden Instrumenten dagegen vorgehen.
Nun scheinen solche Demos aber nicht nur bekennende Rechtsextreme und Hooligans anzulocken, sondern wohl auch, sagen wir mal, normale Bürger aus der Mitte der Gesellschaft. Braut sich da ein um sich greifender Ausländerhass zusammen?
Lewentz: Bislang scheint sich das noch auf einzelne Ereignisse und Demonstrationen zu beschränken, etwa bei Protesten gegen Flüchtlinge. Nun ist aber auch klar, dass die Zahl der Flüchtlinge weiter steigen wird. In Rheinland-Pfalz werden es in diesem Jahr wohl 10 000 sein, bundesweit wird mit 200 000 gerechnet. Im kommenden Jahr erwarten wir bis zu 300 000. Wir werden auch weiterhin in Rheinland-Pfalz Flüchtlinge aufnehmen.
Wie reagieren Sie auf die Leute, die darin eine Bedrohung sehen?
Lewentz: Wir werden verstärkt darüber diskutieren müssen, was Toleranz bedeutet, was es bedeutet, Verantwortung für Elend in der Welt zu übernehmen, das wir jeden Abend im Fernsehen sehen. Die Menschen aus Syrien kommen zu uns, weil zu Hause Krieg und Elend herrschen. Daher appelliere ich an alle Kritiker: Wir sind ein reiches Land, das Flüchtlinge aufnehmen muss, kann und will. In unserer Verfassung sind das Recht auf Asyl und der Schutz der Flüchtlinge verankert, weil wir Deutschen wissen, was Vertreibung aus der Heimat bedeutet. Daher sollten die Bürger aufpassen, dass sie nicht falschen Parolen nachlaufen und sich von gewaltbereiten Menschen vereinnahmen lassen.
Aber es gibt doch bei vielen Bürgern durchaus einen verbreiteten Hass gegenüber zu uns kommenden Flüchtlingen. Was sagen Sie dazu?
Lewentz: Diese Ängste, dieses Dagegensein, gibt es. Davor die Augen zu verschließen, wäre falsch. Darauf müssen wir als Staat und als Gesellschaft, müssen die Kirchen, die Gewerkschaften, die Sportvereine reagieren und für ein weltoffenes Klima bei uns und den Schutz der Flüchtlinge eintreten. Wegschauen und so zu tun, als ob das Grundgesetz allein diese Toleranz schafft, wäre falsch.
Was die Ausländerhasser eint, ist ja das gemeinsame Feindbild: die Salafisten und der Islam. Sehen Sie darin eine besondere Gefahr?
Lewentz: Es ist ja fast schon ein Treppenwitz, dass der Hass auf Salafisten die Rechtsextremen und die Hooligans eint. Denn die Salafisten sind genauso gewaltbereit, sind gegen den Staat, sind feindlich gegenüber anderen Religionen, grenzen Menschen aus, unterdrücken Frauen. Es muss klar sein, dass es solche gewaltbereiten Gruppierungen, egal von welcher Seite, in Deutschland nicht geben darf.
Gibt es auch in Rheinland-Pfalz eine erns zunehmende Salafisten-Szene?
Lewentz: Es gibt salafistische Umtriebe bei uns, gegen die wir vorgehen. Man muss allerdings sagen, dass diese sich nicht nur auf Rheinland-Pfalz beschränken. Die salafistische Bewegung ist deutschlandweit aktiv.
Welche Rolle wird das Thema Gewalt von Islamisten bei den Innenministern im nächsten Jahr spielen?
Lewentz: Vor allem werden wir weiterhin die Terrororganisation IS und die von ihr ausgehende Gefahr für unser Land im Auge behalten. Derzeit werden rund 550 Deutsche, darunter ein paar wenige Rheinland-Pfälzer, leider aber auch ein 15-jähriges Mädchen, an der Waffe in syrischen Terrorcamps ausgebildet. Oft kommen sie als tickende Zeitbomben zurück, die wir sehr genau im Blick haben müssen. Und genau das ist die große innenpolitische Herausforderung.
Was kann der Staat gegen die Gewalt von Rechts und von Islamisten tun?
Lewentz: Wir stehen vor einer neuen Bedrohungslage. Sowohl rechte Gewalttäter als auch Salafisten haben das Ziel, unseren Staat zu verändern, kaputtzumachen. Dagegen werden wir mit aller Härte vorgehen. Wir setzen auf einen starken Staat.
Alle Innenminister sind sich einig, die innere Sicherheit in Deutschland muss gewahrt werden, mit allen Möglichkeiten des Rechtsstaates. wie

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