"Wir wollen, dass friedlicher Protest sich äußern kann"

Die Spannungen vor dem G8-Gipfel steigen. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, ist beunruhigt über die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Szene.

Berlin. Im Gespräch mit unserem Korrespondenten Werner Kolhoff verteidigte Freiberg das Vorgehen der Innenbehörden bei den großen Razzien vom Mittwoch und warnte zugleich vor einer Überlastung der Polizei.Nach den Razzien gegen G8-Gegner hat es Demonstrationen und Ausschreitungen gegeben. War die Aktion überzogen?Freiberg: Nein. Es gab im Zusammenhang mit dem G8-Treffen bereits eine Reihe von Brandanschlägen, und es gibt Hinweise, dass einige beim Gipfel Anschläge verüben wollen. Wenn die Bundesanwaltschaft Erkenntnisse hat, dass es hier eine neue kriminelle Vereinigung gibt, dann muss sie Beweise sichern und Festnahmen vornehmen. Es geht um schwere Straftaten.Der Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung ist ein Hammer für die vielen friedlichen Globalisierungsgegner.Freiberg: Ich bitte darum, die Dinge auseinanderzuhalten. Unsere Aufgabe als Polizei ist es auch, dafür zu sorgen, dass Leute friedlich gegen den G8-Gipfel demonstrieren können. Die Menschen wollen ihren Protest loswerden, und wir wollen ebenfalls, dass dieser Protest sichtbar sein kann. Aber Gewalt und Anschläge müssen wir verhindern. Wird mit den Razzien nicht die Stimmung angeheizt, so dass man die Gewalt erst auslöst?Freiberg: Eine Polizei muss dann handeln, wenn Beweise zu sichern oder Personen festzunehmen sind, oder wenn es darum geht, weitere Anschläge zu verhindern. Man kann sich den Zeitpunkt nicht aussuchen. Wie gefährdet ist der Gipfel in Heiligendamm?Freiberg: Das kann ich nicht sagen. Leider wird die Situation immer schwieriger, weil wir auf immer mehr Gewalt treffen und auf immer mehr Leute, die Gewalt planen. Das ist beunruhigend. Es gibt die Gefahr gewalttätiger Aktionen bei den Gegendemonstrationen, es gibt die Gefahr von Anschlägen, und es gibt nach wie vor die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus.Im vorigen Jahr die Fußball-WM, jetzt dies. Kann die Polizei das stemmen?Freiberg: Man muss klar von einer Überlastung der Polizei sprechen. 16 000 Beamte sind für den Gipfel schon angefordert, und das wird sicher noch mehr werden. Aber die normale Arbeit muss trotzdem überall weitergehen. Welche Forderungen haben Sie?Freiberg: Die Politik kann für die Polizei nicht immer neue Aufgaben und Prioritäten definieren und gleichzeitig überall in den Ländern das Personal kürzen. Das wird sich rächen.Innenminister Wolfgang Schäuble will bei Ereignissen wie diesem die Bundeswehr einsetzen. Wäre das beim G8-Gipfel nicht tatsächlich eine Hilfe?Freiberg: Ich halte das für verantwortungslos. Die Bundeswehr hilft schon viel, in Katastrophenfällen zum Beispiel. Aber es wäre ein schwerer Fehler, ihr polizeiliche Aufgaben zu übergeben. Das kann sie nicht, das ist nicht ihr Job und nicht ihr Auftrag. Ich hoffe nicht, dass es je so weit kommt. Meinung Schutz für alle Wer wollte kritisieren, dass die Polizei Anschlägen vorbeugt und Politiker schützt? Geschenkt. Dass aber die massive Razzia in Verbindung mit dem geflissentlich gestreuten Hinweis auf drohenden "Terrorismus" das gesamte Lager der Globalisierungsgegner verunglimpft, ist unklug und ungut. Fühlt der Staat sich zurzeit besonders stark? Dann sollte er in aller demokratischen Stärke auch Demonstranten und Kritiker schützen - statt sie zu kriminalisieren.

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