Wirtschaftssanktionen gegen Moskau stoßen auf Skepsis

Trier · Die Mehrheit der Deutschen lehnt aktuellen Umfragen zufolge Wirtschaftssanktionen gegen Russland angesichts der Krise um die Krim ab. Eine Meinung, die auch von der rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerin Eveline Lemke und den regionalen Unternehmen geteilt wird.

Trier. Ungeachtet der sich weiter zuspitzenden Situation auf der Halbinsel Krim warnt die Wirtschaft vor Sanktionen gegen Russland. Ein Boykott würde beide Seiten schädigen, sagt etwa der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, und beziffert den Wert der Wirtschaftsbeziehungen auf rund 80 Milliarden Euro. Deutschland exportiere Produkte für 36 Milliarden Euro jährlich nach Russland, während in umgekehrte Richtung etwa 40 Milliarden Euro flössen - größtenteils für Energie. "Wir brauchen natürlich Energie, aber wir haben auch andere Quellen, wo wir uns versorgen können", sagt Grillo. Ähnlich drückt sich der Sprecher der Firma Stihl, Stefan Caspari, aus. "Unser Werk in Prüm-Weinsheim ist derzeit nicht von der Krim-Krise betroffen." Sollten allerdings Erdgaslieferungen in die Eifel behindert werden, gebe es Alternativen, sagt Caspari.
Appell an Diplomaten


Auch bei der stark exportabhängigen Firma Stihl halten die Verantwortlichen nichts von Wirtschaftssanktionen. Diese träfen in erster Linie die Bevölkerung, sagt der Sprecher. Stattdessen solle weiter auf diplomatischem Weg versucht werden, die Krise zu lösen.
"Wir brauchen diplomatische Verhandlungen", sagt auch die Mainzer Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne), "Sanktionen sind da nicht das probate Mittel." Anders als auf Bundesebene wurden aus Rheinland-Pfalz zuletzt mehr Waren nach Russland exportiert als eingeführt. Vor zwei Jahren lag der sogenannte Nettoexport bei 426 Millionen Euro. In den Jahren davor überstieg der Wert der Importe noch den der Exporte.
Aus Rheinland-Pfalz nach Russland gehen vor allem Lastwagen, Spezialmaschinen und Kunststoffe. In umgekehrte Richtung fließt vor allem Erdgas.
Auch viele Unternehmen der Region Trier exportieren Waren nach Russland. "Russland ist für unsere Gegend ein wichtiger Wirtschaftspartner", sagt der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Jan Glockauer.
Nach seinen Angaben hat die Trierer Kammer im vergangenen Jahr 602 Außenhandelsdokumente für Lieferungen nach Russland ausgestellt, die von hiesigen Unternehmen angefordert worden seien. Je nach Produkt und Zielland benötigen die Firmen die Außenhandelsdokumente für den Export. "Ihre Anzahl ist somit ein Indikator für die Entwicklung der Lieferungen in Drittländer", sagt der Trierer IHK-Chef und befürchtet, dass eine Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen "langfristig auch die Unternehmen treffen" werde.
Nur noch Sprühsahne


In einigen Bereichen ist der Handel zwischen deutschen und russischen Unternehmen nahezu zum Erliegen gekommen. So hat Russland 2013 einen Importstopp für Milchprodukte aus Deutschland verhängt - aus vorgeschobenen Gründen, wie es in der Fachpresse heißt. "Der Export hat sich deutlich erschwert", sagt auch eine Sprecherin der Hochwaldgruppe mit Hauptsitz in Thalfang, schränkt allerdings ein, dass das Geschäft mit Russland nie besonders groß gewesen sei. "Inzwischen verkaufen wir nur noch Sprühsahne dorthin."Extra

Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt - der Staat im Völkerrecht: Die pro-russische Führung der Krim hat die ukrainische Halbinsel zum unabhängigen Staat erklärt. Was macht einen souveränen Staat aus? Im Völkerrecht wird das meist nach der vom Staatsrechtler Georg Jellinek entwickelten Drei-Elemente-Regel definiert. Sie beschreibt einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband (Staatsvolk), der auf abgegrenzter Fläche (Staatsgebiet) einer Bevölkerung eine eigene Ordnung (Staatsgewalt) gibt. Beim Staatsgebiet ist keine genaue Grenze erforderlich, es genügt ein unstrittiges Kernterritorium. Für ein Staatsvolk reicht ein Mindestmaß an Zugehörigkeitsgefühl; ethnische oder sprachliche Einheitlichkeit ist nicht Bedingung. Staatsgewalt bezeichnet die Fähigkeit einer Regierung, eine Ordnung effektiv zu organisieren und nach außen von anderen Staaten unabhängig zu handeln. Das Völkerrecht schließt auch die Sezession (Abtrennung) von Gebieten nicht aus. Dabei steht das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Konflikt mit der garantierten territorialen Integrität des bisherigen Gesamt-Staates. Nach herrschender Meinung im Völkerrecht muss die Existenz eines Staates nicht zwingend durch andere Länder anerkannt werden. dpa

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