Wo führt der Weg der Kanzlerin hin?

Berlin · Angela Merkels Flüchtlingspolitik und das Erstarken der AfD haben der Union eine Serie von Niederlagen bei den letzten Landtagswahlen beschert. Das kann gefährlich sein. Die Geschichte liefert ein Beispiel.

Berlin. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz reichte es nicht zur angestrebten Regierungsübernahme. Und in Mecklenburg-Vorpommern wurde die CDU gar nur dritter Sieger. Wie gefährlich so etwas für einen Kanzler werden kann, zeigt das Beispiel von Vorgänger Gerhard Schröder (SPD). In vergleichbarer Situation stellte er 2005 die Vertrauensfrage und verlor sein Amt. Vor allem stimmungsmäßig ähnelt dies der Lage Merkels heute sehr.Umstrittene Entscheidungen

Auch Schröder hatte eine umstrittene Grundentscheidung getroffen, nämlich die Reformen der Agenda 2010, zu denen die Hartz-Gesetze gehörten. Auch bei ihm grummelte es in der eigenen Partei deswegen mächtig und es formierte sich außerhalb eine neue Konkurrenz, die Linke, die den Protest aufnahm.

Hier liegt ein kleiner Unterschied zu heute: Die Linke hatte damals schon eine stabile Basis im Osten und bekam mit dem Ex-SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine einen auch im Westen angesehenen Vorsitzenden. Da hat es die AfD vergleichsweise schwer. Trotzdem sind ihre Wahlerfolge noch größer. Es ist für Merkel also schlimmer.
Die Niederlagenserie der SPD war 2003 bis 2005 dramatisch. Anfang 2004 gab Schröder deshalb den Parteivorsitz an Franz Müntefering ab, was die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel als "Anfang vom Ende" seiner Kanzlerschaft bezeichnete. Im Saarland betrug der Stimmenrückgang satte 13,6 Prozent, auch anderswo war er zweistellig.Erinnerung an Turbulenzen

Gut erinnerlich sind die Turbulenzen um die für die SPD verlorene Schleswig-Holstein-Wahl (minus 4,4 Prozent). Ministerpräsidentin Heide Simonis hatte 2005 plötzlich nur noch eine hauchdünne Mehrheit; ein bis heute unbekannter Abweichler (Heide-Mörder genannt) ließ sie bei vier geheimen Abstimmungen im Landtag scheitern, der CDU-Herausforderer wurde Regierungschef. Nachdem zuvor schon Sigmar Gabriel in Niedersachsen sein Ministerpräsidentenamt verloren hatte (minus 13,5 Prozent), wurde die SPD im Mai 2005 auch noch im Stammland Nordrhein-Westfalen abgewählt (minus 5,7 Prozent). Schröder sah nur noch einen Ausweg: Vorgezogene Neuwahlen. Unterschied zu heute: Die CDU musste wegen der AfD bisher noch nirgendwo den Chefsessel abgeben, weil sie seit Merkels Regentschaft sowieso kaum noch welche hat.Ähnliche Lage

Am 1. Juli 2005 begründete Schröder im Bundestag seine Vertrauensfrage, die zu Neuwahlen führte. Er nannte seine fehlende Bundesratsmehrheit, die innerparteilichen Debatten um die Agenda 2010 und die knappen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Es fehle ihm und seiner Regierung die notwendige "volle Handlungsfähigkeit". Hier gibt es einen wesentlichen Unterschied - Angela Merkel kann ihre Politik in Bundesrat und Bundestag trotz innerparteilicher Kritik noch durchsetzen. Allerdings nur, solange die SPD sie stützt.

Interessant ist im Rückblick, was Merkel damals sagte. Sie begrüßte die Neuwahlen, weil man dem Land "monatelange, quälende Auseinandersetzungen" im Regierungslager ersparen müsse.

Ursache für Schröders Schwierigkeiten sei allein "das Ringen mit Ihren eigenen Leuten und die Tatsache, dass Sie es wegen dieses Ringens niemals geschafft haben, den Menschen draußen die Notwendigkeit der Veränderungen zu erklären". Das ist bei ihr heute genauso. Das Protokoll vermerkte damals übrigens "Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP."Extra

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) äußert Lob und Kritik am Weg von Angela Merkel. Die Lösung der Kanzlerin, in der Flüchtlingskrise die Grenzen nicht dicht zu machen und eine europäische Lösung zu suchen, sei richtig gewesen. Zugleich sei von Anfang an klar gewesen, dass der von Merkel geäußerte "Wir-schaffen-das"-Satz alleine nicht ausreiche. Dafür benötige es Integration und mehr Polizei. Viele Dinge seien inzwischen umgesetzt,hätten aber lange gedauert, kritisiert Dreyer, die im rheinland-pfälzischen Wahlkampf um Merkel-Wähler geworben hatte. Angesichts des Aufstiegs der AfD sieht Dreyer die Politik gefordert, etwas "Identitätsstifendes" zu finden, um eine emotionale Ebene zu den Menschen herzustellen - wie den Zusammenhalt in Deutschland und Europa. Der AfD gelinge es, Wähler emotional zu erreichen, warnt die Triererin. Es sei bedauerlich, dass die Partei gesellschaftsfähig geworden sei. flor

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