Wohin nur mit den Gefangenen?

Schon in wenigen Wochen könnte die Entscheidung fallen, das weltweit scharf kritisierte Internierungslager auf dem US-Militärstützpunkt Guantánamo Bay zu schließen.

Washington. Vor allem der neue amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates, Nachfolger des vor allem in Europa misstrauisch beäugten Donald Rumsfeld, stuft das Gefangenenlager für mutmaßliche Terroristen und deren Helfershelfer als Dauer-Makel für das Ansehen der USA ein. Doch was würde bei einer Schließung mit den derzeit rund 380 Insassen geschehen? Würde sich ihre Situation verbessern - oder womöglich sogar verschlechtern?Rechtsexperten zufolge würde ein Transport der Gefangenen auf das amerikanische Festland - was eine zentrale Empfehlung der Guantánamo-Kritiker ist - deren rechtlichen Status sofort verbessern. Denn eine der Kern-Annahmen der Bush-Regierung war bisher: Ausländische Feinde, die nicht in den USA einsitzen, können auch nicht amerikanische Gerichte anrufen, um ihre Festsetzung überprüfen zu lassen. Als Ersatz und um Kritik zu entschärfen, wurden deshalb die Militärtribunale auf Guantanamo geschaffen, deren Arbeitsweise und Legitimation jedoch bereits mehrfach - zunächst vom Obersten Gerichtshof der USA, dann in diesem Jahr sogar von an Verfahren beteiligten Militärjuristen - in frage gestellt wurden. "Mit einer Welle von Prozessen" vor Zivilgerichten, so ein Sprecher des Außenministeriums, rechne man deshalb bei einem Aus für Guantánamo und einem Gefangenen-Transfer in die USA - wobei derzeit Berichten zufolge eine "Mischlösung" für die Insassen des Lagers debattiert wird.75 der 380 Insassen wurden mittlerweile von den Militärs als "nicht mehr gefährlich" eingestuft und sollen ohnehin entlassen werden - was jedoch Probleme mit sich bringt: Zum einen lehnen, wie zu erfahren ist, zahlreiche Heimatstaaten der Inhaftierten eine Überstellung ab, zum anderen zeigen sich auch Drittstaaten, bei denen Washington anfragte, an einer Aufnahme nicht interessiert. Menschenrechtler fordern zudem, dass sich die USA bei einem Transport dieser Häftlinge Garantien geben lassen sollen, dass die Überstellten nicht gefoltert werden. Denn vor allem in arabischen Haftanstalten drohe ihnen die Anwendung von brutaler Gewalt. Mindestens 80 weitere Gefangene will die US-Regierung weiter in Gewahrsam halten und wegen Kriegsverbrechen aburteilen lassen, darunter auch El-Kaida-Prominenz wie den 9/11-Planer Khalid Scheich Mohamed und Ramsi Binal shib. Den Rest der Guantánamo-Insassen kategorisiert Washington als "ungesetzliche feindliche Kämpfer", die auf dem "Schlachtfeld" - zumeist in Afghanistan oder im Irak - festgenommen wurden und nach Ansicht der Militärs bis zum Ende aller Kampfhandlungen festgehalten werden sollten, weil sie ansonsten wieder zu Waffen greifen könnten. Das Weiße Haus beruft sich dabei sogar auf die Genfer Konvention, der zufolge Kriegsgefangene keinen Rechtsanspruch darauf haben, vor dem Ende der Kämpfe in ihre Heimat entlassen zu werden. Wo diese "feindlichen Kämpfer" in den USA interniert würden, ist noch offen. Den "harten Kern" der El Kaida würde man aber vermutlich im "Supermax" im US-Bundesstaat Colorado unterbringen - ein Hochsicherheitsgefängnis, das als absolut ausbruchsicher gilt.

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