Wortloser Abgang

BERLIN. Der von Partei- und Fraktionsausschluss bedrohte CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hat seine als antisemitisch kritisierte Rede erneut verteidigt und sich damit nach Ansicht der Unionsspitze endgültig ins Abseits gestellt.

Der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann nahm gestern demonstrativ den Vordereingang und nicht, wie manch einer erwartet hatte, die Hintertür. Erhobenen Hauptes, aber wortlos rauschte der Hesse an den wartenden Journalisten vorbei in den Fraktionssaal der Union. Letztmalig auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre um Altkanzler Helmut Kohl gab es wohl solch einen riesigen Andrang vor dem Sitzungsraum von CDU und CSU. Aber nicht mehr alleine deswegen, weil die versammelte Berliner Hauptstadtpresse einen Blick auf Hohmann werfen und wenn möglich eine Stellungnahme von ihm haben wollte. Seit dem sich die Unionsspitze am Montag dazu entschlossen hat, den Abgeordneten wegen seiner antisemitischen Rede und seiner anhaltenden Uneinsichtigkeit nun doch aus der Fraktion auszuschließen, ist wieder jemand ganz anderes in den Mittelpunkt des Interesses geraten: die Fraktionsvorsitzende Angela Merkel. Anders als üblich ging auch sie gestern ohne eine Stellungnahme an den Mikrofonen vorbei in den Unionssaal. Aus gutem Grund - denn jetzt wird bis Ende der Woche wieder gerätselt und spekuliert: Wie viele Abgeordnete werden am Freitag, wenn in der Fraktion über den Ausschluss Hohmanns geheim abgestimmt wird, nicht dafür votieren? Wird es überhaupt Nein-Stimmen geben und wenn ja, wie viele kann Angela Merkel verkraften, ohne dass sie als Fraktionsvorsitzende mit erheblichen Blessuren aus der Affäre hervorgeht? Das Zögern in Sachen Hohmann wurde ihr ja bereits als Führungsschwäche ausgelegt, zumindest vom politischen Gegner. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller 248 Unionsabgeordneten muss für einen Rauswurf jedenfalls her. Für die nie ganz unumstrittene Vorsitzende steht also einiges auf dem Spiel, weil wieder einmal die Messlatte hoch liegt. Hohmann selbst habe sich gestern vor der "betroffen wirkenden" Fraktion noch einmal verteidigt. Im Kern sei er nicht bereit gewesen, sich zu distanzieren. Noch hat man die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass der Parlamentarier freiwillig ausscheidet. Auch wenn am Freitag der Rauswurf der Fraktion über die Bühne gehen wird, ist der Fall noch lange nicht erledigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort