Würdevoll sterben, lautstark trauern

TRIER. Alle Menschen sind sterblich - überall. Doch der Umgang mit Sterben und Tod hängt von der jeweiligen Kultur und Religion ab. Die Ordensschwester Alma Dürr hat rund 35 Jahre in verschiedenen Ländern Afrikas gelebt und dort Sterbende und deren Angehörige begleitet.

Von weit her war die Frau zum Sterben gekommen, ins Krankenhaus von Elaued, Sahara, führte sie ihr letzter Weg. Allein und schon geschwächt hatte sie sich auf den Marsch durch die einsame Sandwüste gemacht, jetzt war sie angekommen. Die Araberin legte sich in eines der 30 Betten im großen Saal des Hospitals, wohl ahnend, dass ihr nur noch wenige Momente bleiben würden. Und sie wusste Alma Dürr an ihrer Seite, die katholische Ordensschwester aus dem fernen Deutschland. "Plötzlich standen alle Patientinnen die noch konnten, auf, stellten sich um das Bett der Sterbenden und beteten gemeinsam das muslimische Glaubensbekenntnis", erinnert sich Alma Dürr. Allein war die Unbekannte nach Elaued gekommen, in der Gemeinschaft ist sie gestorben. Alma Dürr wird dieses Erlebnis nicht mehr vergessen. Dabei hat die heute 68-Jährige einiges erlebt in den mehr als drei Jahrzehnten, in denen sie für die "Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika" - besser bekannt als Weiße Schwestern - im fast vergessenen Kontinent wirkte. Ende der 50er Jahre kommt Alma Dürr nach Algier und erlebt dort den Algerienkrieg mit. Die gelernte Schneiderin wird zur Krankenschwester ausgebildet, später auch zur Hebamme. Alma Dürr arbeitet auf einer Entbindungsstation mit 50 Betten, erlebt dort viele Spontanaborte mit. "Niemals durfte ein Fötus weggeworfen werden. Er musste mit nach Hause gegeben werden, wo er in Ehren bestattet wurde", berichtet sie. Tod und Trauer in verschiedenen Lebensphasen - in Afrika erfährt die Weiße Schwester, wie unterschiedlich die Reaktionen sein können. "Lautstark und gestenreich" werde Trauer geäußert, vom "lauten Weinen" der Angehörigen bis zum "Geschrei" der Klagefrauen. "Das geht so weit, dass Frauen sich auch die eigenen Kleider zerreißen", hat Alma Dürr beobachtet. Doch die Deutsche hat auch den anderen Ausdruck der Trauer erlebt: die Stille. So bei der Totenwache, wo trauerndere Freunde schweigend und im Lichte mehrerer Feuer die Nacht verbringen. Auf der Entbindungsstation erlebt Alma Dürr den Tod vieler Neugeborener und Kleinkinder mit. Doch weil die Frauen meist kinderreich sind, "wird der Tod nicht so tragisch genommen, wenn auch immer ein großer Schmerz dabei ist". Der Tod von alten Menschen werde gar "meistens als positiv erlebt". Ein erfülltes Leben und der Glaube daran, dass die Sterbenden von ihren Ahnen erwartet werden, erleichtere den Alten die letzte Lebensphase. Ob in Burkina Faso oder in Mali, in Algerien oder im Süden des Tschad - immer wieder hat Alma Dürr beobachtet, dass alte und gebrechliche Menschen nicht alleine gelassen werden. Schwerkranke werden auf ihrem Weg ins Krankenhaus oft von Dutzenden Dorfbewohnern begleitet. Selbst nachts standen mitunter Menschenmassen vor Alma Dürrs Hospital. Doch es gibt auch Tabu-Krankheiten wie Aids, Lepra, Cholera, Patienten, die oft abgeschoben und ausgegrenzt werden. Solchen Erfahrungen zum Trotz, Alma Dürr gebraucht meist das Wort "Würde", wenn sie vom Sterben in Afrika berichtet. Und zu einer würdevollen letzten Lebensphase möchte die Weiße Schwester auch hierzulande Menschen verhelfen; als Hospizhelferin arbeitet sie schon seit einiger Zeit in der Sterbebegleitung. "Man muss die richtige Sprache finden", weiß Alma Dürr. In Afrika galt dieser Anspruch gleich in doppelter Hinsicht. Wie wichtig die richtige Sprache ist, erfährt Alma Dürr auch im Schweigen. "Zuhören und Mitsein, damit kann ich vor allem helfen", ist die Ordensfrau überzeugt und strahlt. Alma Dürr lebt "jeden Tag bewusst". Sie selbst ist an Krebs erkrankt und weiß aus eigenem Erleben, wie kostbar jeder Moment ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort