Wulff entschuldigt sich und bittet um neues Vertrauen

Berlin · Bisher hat es nur schriftliche Erklärungen des Bundespräsidenten zu seinem Privatkredit und zu Urlaubsreisen auf Kosten reicher Freunde gegeben. Nun entschuldigt sich Christian Wulff persönlich für sein Verhalten.

Berlin. "Ich war auf dem Weihnachtsmarkt", schimpft ein Fotograf in der Schlange vor der Sicherheitsschleuse am Schloss Bellevue. "Wenn er jetzt nicht zurücktritt, bin ich sauer."
Fast 100 Medienvertreter sind zum Amtssitz der Bundespräsidenten geeilt, der kurzfristig für 15.30 Uhr eine Erklärung angekündigt hat. Mit sieben Minuten Verspätung öffnet sich eine der beiden Doppeltüren zum Großen Saal. Jetzt steht der Präsident denen gegenüber, die ihn nach seinem Gefühl jagen, den Medien. Gemessenen Schrittes geht er ans Pult, das einsam in der Mitte steht. Einen Raum weiter, im Langhanssaal, hat vor eineinhalb Jahren Horst Köhler seinen Rücktritt verkündet, es war eine ähnliche Szenerie. Aber Christian Wulff bleibt im Amt. Er entschuldigt sich und bittet die Bürger "auch zukünftig um ihr Vertrauen".
Die Dramatik noch gesteigert hat an diesem Donnerstag eine Mitteilung, die um 14.26 Uhr aus dem Präsidialamt in die Redaktionen flattert: Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker wird von seinen Aufgaben entbunden. Das ist eine Sensation. Denn Glaeseker, Berliner Spitzname "stellvertretender Bundespräsident", ist seit 1999 der engste Vertraute des Politikers (siehe Extra). Er hat Wulffs Image geprägt und war schon in Niedersachsen sein wichtigster Strippenzieher. Über die Motive gibt es nur Spekulationen. An der Strategie im Umgang mit der Affäre kann es kaum liegen. Zwar hat Glaeseker die verunglückte allererste Erklärung abgegeben, als er vorletzten Dienstag mitteilte, Wulff habe im Februar 2010 im niedersächsischen Landtag die Frage nach seinen Geschäftsbeziehungen zum Unternehmer Egon Geerkens wahrheitsgemäß verneint. Denn der Kredit stamme ja von Frau Geerkens. Doch diese spitzfindige Stellungnahme wurde von Glaeseker und Wulff gemeinsam während eines Staatsbesuches in Kuweit verfasst. Wulff sagt zum Grund des Rücktritts in seiner kurzen Rede nichts. Nur, dass er die Trennung bedauert. "Ich habe ihm viel zu verdanken."
Persönlich statt schriftlich


Bisher gab es nur schriftliche Erklärungen des Präsidenten. Dieser persönliche Auftritt ist der erste Moment der direkten Konfrontation Wulffs mit den Medien, seit alles bekannt wurde. Viele Politiker haben Wulff dazu geraten. SPD-Chef Sigmar Gabriel erst an diesem Donnerstag: "Dass nicht er, sondern seine Anwälte kommunizieren, halte ich für unglücklich." Und Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke fordert von Wulff, "persönlich und umfassend" Stellung zu nehmen. Auch Kanzlerin Angela Merkel hat vor zwei Tagen gesagt, was im Raum stehe, werde von Wulff "persönlich" aufgeklärt. War das allgemein gemeint oder ein Wink mit dem Zaunpfahl?
Wulff blickt die Meute offen an. Über "Vorgänge" aus seinem Privatleben sei breit berichtet worden, beginnt er. Es habe eine sehr kritische Kommentierung gegeben. Etwas nervös stupst er mit den Fingerkuppen seine Textblätter gerade. "Ich habe das Bedürfnis, mich auch persönlich zu diesen Vorgängen zu äußern." Und dann kommt ein umfassendes Schuldeingeständnis. Ihm sei klar geworden, "wie irritierend" die private Finanzierung seines Hauses in der Öffentlichkeit gewirkt habe, sagt der Präsident. "Das hätte ich vermeiden können und müssen." Auch räumt er ein, dass er dem Landtag in Hannover alles hätte offenlegen sollen. "Das war nicht gradlinig, das tut mir leid." Die Entschuldigung gipfelt in dem Satz: "Ich sehe ein, nicht alles, was juristisch rechtens ist, ist auch richtig."
Vier Minuten dauert der Auftritt, der mit ausdrücklichen Neujahrswünschen an die Journalisten endet. "Wir werden auch in diesem Jahr 2012 weiterhin gut zusammenarbeiten", schließt Wulff und schickt ein "So hoffe ich doch" hinterher. Gemessenen Schrittes geht der Präsident dann zurück durch die Flügeltür. Die Journalisten aktivieren ihre Handys. Einer sagt: "Das war erst der zweite Akt. Da kommt noch ein dritter." Und in die Redaktionen flattern Meldungen des Magazins Spiegel, dass auch der reguläre Kredit der BW-Bank für Wulffs Haus, mit dem im Frühjahr 2010 das Privatdarlehen Edith Geerkens abgelöst wurde, ein Schnäppchen war. Spezialkonditionen für "gehobene Privatkunden", wie die Bank laut Spiegel erklärt.
Dossier und Wortlaut der Erklärung des Bundespräsidenten unter volksfreund.de/wulff

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