"Wulff kann die Scharte noch auswetzen"

Berlin · Auch nach seinem Interview in eigener Sache bleibt Bundespräsident Christian Wulff unter Druck. Nach Einschätzung des Bonner Politikwissenschaftlers Gerd Langguth hat Wulff aber noch eine Chance verdient.

 Professor Gerd Langguth. Foto: privat

Professor Gerd Langguth. Foto: privat

Berlin. Mit Langguth sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter.
Herr Langguth, war der geplante Befreiungsschlag ein Schlag ins Wasser?
Langguth: Es war kein Schlag ins Wasser. Meines Erachtens blieb Wulff gar nichts anders übrig, als so zu argumentieren, wie er argumentiert hat. Unter der mittlerweile geballten Gegnerschaft des Bundespräsidenten gibt es viele, die gar nicht an einem Befreiungsschlag interessiert sind.
Das klingt, als wäre Wulff für Sie nur Opfer einer Medienkampagne?
Langguth: Wulff ist kein Opfer der Medien. Allerdings ist offensichtlich, dass er durch seine Auseinandersetzung mit dem Chefredakteur der Bild-Zeitung die gesamte deutsche Medienlandschaft zur Solidarität mit dem Boulevardblatt veranlasst hat. Das macht Wulff das Leben sehr schwer.
Die Bild-Zeitung widerspricht der Darstellung Wulffs, wonach sein Anruf bei dem Blatt nur auf eine Verschiebung der Berichterstattung über den privaten Hauskredit zielte. Aber Wulff lehnt eine Veröffentlichung der Mailbox-Nachricht ab. Ist das klug?
Langguth: Einerseits ist das nachvollziehbar, weil Wulff endlich den Deckel über dieser unseligen Geschichte schließen will. Es wäre aber besser, wenn der Bundespräsident den Text freigeben würde, zumal dieser sowieso bald den Weg in die Öffentlichkeit finden dürfte.
Hat Wulff in seinem Interview genug Schuldbewusstsein gezeigt?
Langguth: Mehr als genug. Er hat einen Kotau nach dem anderen gemacht. Ich fand es schon zu sehr menschelnd.
Inwiefern?
Langguth: Zum Beispiel dass er vorgab, keine Einarbeitungszeit als Staatsoberhaupt gehabt zu haben, und dass er noch im Amt lernen müsse.
Lässt das nicht an Wulffs Eignung für das Amt zweifeln?
Langguth: Hätte er das nicht gesagt, hätten ihm andere vorgeworfen, von einem hohen Ross aus zu argumentieren. So betrachtet konnte Wulff es eigentlich kaum richtig machen.
Macht ihn das Eingeständnis von Fehlern in der Bevölkerung sympathisch?
Langguth: Teils, teils. Die meisten Menschen wissen ja, dass wir Menschen voller Fehler sind. Aber man erwartet von einem Bundespräsidenten die ideale Lichtgestalt. Ich denke aber, dass er mit dem Interview Sympathien gewonnen hat.
War es klug, nur bei ARD und ZDF Rede und Antwort zu stehen?
Langguth: Das war richtig. Man stelle sich vor, Wulff hätte sich einer Pressekonferenz mit Dutzenden Journalisten gestellt. Die Erfahrung zeigt, dass bei so einem Format Fragen viel leichter abgebügelt werden können als bei einer Art Verhör durch zwei Medienprofis. In einer großen Pressekonferenz wären die Antworten weniger erschöpfend gewesen.
Trotzdem geht die Debatte munter weiter.
Langguth: Die Gefahr, dass noch weitere unliebsame Neuigkeiten ans Tageslicht kommen, ist für Wulff nicht gebannt. Ich meine aber, dass er noch eine Chance verdient hat - auch wenn er angeschlagen ist.

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