Wulff richtet sich auf Weihnachten ein

Berlin · Im Schloss Bellevue wurde ungeachtet aller Turbulenzen gestern Weihnachtsstimmung verbreitet. Auf dem Rasen leuchtete der riesige Baum und drinnen leuchteten ARD-Techniker den Großen Saal aus, in dem heute Nachmittag die traditionelle Weihnachtsansprache des Präsidenten aufgezeichnet wird. Der feilte an seinem Manuskript herum.

Berlin. Offen ist, ob Christian Wulff in irgendeiner Form auf die gegen ihn gerichteten Vorwürfe eingehen wird. Klar ist hingegen, dass alles so aussehen soll wie vor einem Jahr. Ungefähr 60 Bürger im Raum, Adventskranz, der Präsident redet im Stehen. Hinter ihm die Deutschlandfahne.
Gattin Bettina absolvierte derweil lächelnd einen Pressetermin, bei dem es offiziell um das Unicef-Foto des Jahres ging. Die meisten Journalisten aber waren wegen der Affäre gekommen, zu der Fragen jedoch nicht gestellt werden konnten. Als plötzlich bei einer ihrer Bewegungen alle Kameras gleichzeitig klickten, sagte Bettina Wulff erstaunt: "Ich mache mir doch nur eine Flasche Wasser auf."
Neue Enthüllungen gaben dem Skandal am Dienstag eine weitere Dynamik, nachdem sich die Lage noch am Montag etwas beruhigt zu haben schien, weil Wulff von sich aus eine Liste seiner Gratisurlaube bei reichen Freunden veröffentlicht hatte. Jetzt jedoch geht es um den Verdacht indirekter Wahlkampffinanzierung in der Zeit, als Wulff noch CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen war. Laut Bild-Zeitung beglich der Hannoveraner Finanzmarktunternehmer Carsten Maschmeyer (AWD) am 19. Februar 2008 die Kosten einer Anzeigenkampagne für einen Interviewband mit Wulff. Maschmeyer gab dazu an, die 42 731,71 Euro stammten aus seinem Privatvermögen und seien ohne Wissen Wulffs geflossen.
Diese Auskunft ließ der Bundespräsident seine Anwälte bestätigen: Ihm sei von den Zahlungen nichts bekannt gewesen.
Die Anzeigen waren 2007 in niedersächsischen Zeitungen erschienen und vom Verlag Hoffmann & Campe geschaltet worden. Titel des Werkes: "Besser die Wahrheit".
Begünstigungen summieren sich


Maschmeyer, liiert mit Schauspielerin Veronica Ferres, gehört zu Wulffs Freundeskreis in Hannover; in Maschmeyers Villa in Mallorca bezog Wulff im Sommer 2010 ein Appartement - da war er schon Präsident.
Maschmeyer hatte 1998 in verdeckter Weise auch schon eine Anzeigenkampagne im Wahlkampf des damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schörder (SPD) finanziert - damals noch gegen Christian Wulff.
Neben der Maschmeyer-Geldzahlung fällt auch das von Wulff bis vor kurzem verschwiegene 500 000-Euro-Privatdarlehen des Ehepaares Geerkens in das besagte Jahr 2008. Und dann noch ein Gratisaufenthalt der Wulffs bei einem befreundeten Ehepaar auf Norderney, das dort ein Süßwarengeschäft betreibt.
Die Vorkommnisse und Begünstigungen insgesamt summieren sich. In Hannover beriet in einer Eilsitzung bis gestern Abend der Ältestenrat des Landtages über die Frage, ob Wulff gegen das Ministergesetz des Landes verstoßen habe.
Das besagt: "Die Mitglieder der Landesregierung dürfen, auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses, keine Belohnungen und Geschenke in Bezug auf ihr Amt annehmen."
Laut niedersächsischem Landesbeamtengesetz fallen unter Geschenke ausdrücklich auch zinsgünstige Darlehen sowie "die Gewährung von kostenloser oder ungewöhnlich verbilligter Unterkunft". Ergebnisse waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Umfragen zeigten gestern einerseits, dass Wulffs Ansehen gelitten hat. So halten noch 51 Prozent der Bürger, 23 Prozentpunkte weniger als im Juni, diesen Bundespräsidenten laut Infratest-Erhebung für glaubwürdig. Gleichzeitig sagten aber 70 Prozent, sie seien gegen einen Rücktritt Wulffs.

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