Zu Gast bei Pessimisten?

Es war am 6. September 2003, nach dem enttäuschenden 0:0 in der Europameisterschafts-Qualifikation, als Rudi Völler, damaliger Teamchef der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, seine berühmte "Brandrede" hielt - eine Attacke gegen die Fernseh-Kritiker Gerhard Delling und Günter Netzer, die legendär wurde wie die "Was-erlaube-Struuunz-Rede" von Giovanni Trapattoni.

Ganz so rhetorisch wertvoll und von Emotionen geprägt war Jürgen Klinsmanns Auftritt im Mercedes-Benz-Sportpresseclub nach dem Test-Länderspiel gegen die USA nicht. Und doch barg er Brisanz. "Da wird Politik gegen einen gemacht, die zu weit geht und respektlos ist, die aggressiv ist und versucht, Stimmung zu machen beim Publikum. Das hat nichts mit der Arbeit zu tun", geißelte der Bundestrainer. Rumms! Das hat gesessen. Eine gepflegte Medienschelte vor der versammelten Weltöffentlichkeit. Sich zu wehren, ist sein gutes Recht. Klinsmann musste in den vergangenen Wochen medial einiges einstecken - manches davon war ohne Zweifel weit unter der Gürtellinie angesiedelt. Der Eindruck, die Welt werde nicht zu Gast bei Freunden sein - wie das WM-Motto verheißt -, sondern bei Pessimisten, ist nicht unbegründet. Statt optimistisch und mit positivem Enthusiasmus auf das Fußball-Weltereignis im eigenen Land zu schauen, wurde und wird vieles ohne Not schlecht geredet. Dennoch kann nicht "Friede, Freude, Eierkuchen" herrschen, wenn es Diskussionsbedarf gibt. Debatten um das Pro und Contra von Personalien und Planspielen gehören zum Fußball und machen letztlich einen Reiz des Volkssports aus. Kritik und Streitgespräche müssen erlaubt sein: zu Nominierungskriterien etwa, Klinsmanns Methoden oder seiner Philosophie. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. m.blahak@volksfreund.de

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