Zu kurz gedacht

Zuerst kamen die Bomben, nun marschieren die Soldaten. Israel hat seinen Krieg gegen die libanesische Schiiten-Organisation Hisbollah mit großer Wucht begonnen und wird ihn, so steht zu befürchten, auch ebenso zu Ende führen.

Doch wie wird es aussehen, dieses Ende? Und was kann Israel bei alldem gewinnen? Erklärtes Ziel Israels ist, die organisatorische und personelle Basis der Hisbollah zu vernichten, die es bezichtigt, eine Terror-Organisation zu sein. Diese Anschuldigung ist durchaus nachvollziehbar angesichts der von Bombenattentaten durchzogenen Geschichte der 1982 entstandenen Organisation. Doch ist die Haltung Israels zu kurz gedacht. Denn die Hisbollah ist für die Schiiten im Libanon eben mehr als eine Partei, der man eben angehört oder auch nicht. Sie ist für die noch immer von Sunniten und Christen unterdrückte schiitische Minderheit im Libanon - ihr werden Führungspositionen in Staat und Gesellschaft nach wie vor vorenthalten - so etwas wie ein Ersatz-Staat geworden. Denn während der libanesische Staat weit davon entfernt ist, für ein funktionierendes Sozialsystem sorgen zu können, kümmert sich die Hisbollah um die Schiiten: Sie unterstützt die Armen, sorgt für Schulen, Krankenhäuser und vieles mehr. Kurzum: Die Schiiten im Libanon erleben die Hisbollah nicht als Terrororganisation, sondern als Hilfe - die einzige, die sie haben. Für Israel bedeutet dieser Umstand, dass der Krieg die Bande zwischen den libanesischen Schiiten und der Hisbollah noch enger knüpfen wird. So paradox es klingen mag: Die einzige Chance für Israel, die Hisbollah wirksam zu bekämpfen, ist die Stärkung des libanesischen Staates. Und nicht seine Bombardierung. p.hacker@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort