Zukunft in der Hand von Bremsern

Wenige Tage vor dem G8-Gipfel hat US-Präsident George W. Bush Kanzlerin Angela Merkel die Initiative in Sachen Klimaschutz immer mehr aus der Hand genommen. Bush sprach gestern nur noch über seinen eigenen Vorstoß, dem er in Heiligendamm zum "Durchbruch" verhelfen will. Den deutschen Vorschlag für eine Abschlusserklärung lehnen die Amerikaner in den Kernpunkten weiter ab.

Berlin. Eine "schwierige Ausgangslage" erkannte gestern Merkels Sprecher Ulrich Wilhelm und machte noch einmal die Fronten klar: Es werde nicht zum Ziel führen, wenn man das Klimaproblem "exklusiv" angehe. Zwar seien viele verschiedene Initiativen durchaus sinnvoll, doch müsse alles am Ende in einen Uno-Prozess münden. Wilhelm: "Es ist ein dickes Brett."Buhs hingegen warb im ZDF für seine Idee. Er will die 15 größten Luftverschmutzer, neben den G8-Staaten unter anderem auch China, Indien und Australien, gesondert zusammenrufen und mit ihnen bis Ende 2008 verbindliche Langzeitziele vereinbaren. Welche das sein sollen, ließ er offen. Schwerpunktmäßig soll der Klimaschutz mit neuer Technik erreicht werden. Einen weltweiten Emissionshandel lehnen die USA ab.

Mit dem Vorschlag wäre die Uno ausgehebelt, die Ende des Jahres in Bali eine internationale Konferenz veranstaltet, die weltweite Klimaziele nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls verabreden soll. Die deutsche Strategie, beim Treffen in Heiligendamm schon Verabredungen für Bali zu treffen, um diesen Prozess zu unterstützen, wäre ebenfalls gescheitert.

Wirtschaft fordert klare Vorgaben

Während Bush aus Großbritannien und Australien Lob bekam, verlangte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso "eine ehrgeizigere Position der USA". Schärfer formulierte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD): Er lobte zwar, dass die US-Politik sich dem Klimathema jetzt mehr widme, sprach aber den Verdacht aus, Bushs Initiative könne "ein trojanisches Pferd sein, um über Heiligendamm hinwegzukommen, und bei dem der internationale Klimaschutzprozess im Grunde torpediert wird".

Sein Vorgänger, Jürgen Trittin von den Grünen, nannte den Vorstoß eine "Strategie zur Verhinderung von Klimaschutz". Ohne die Beteiligung der Opfer des Klimawandels sollten sich nach Bushs Willen die größten Verschmutzer zusammensetzen, "um verbindliche Reduktionsziele möglichst weit hinauszuschieben".

Bush hingegen beteuerte die Ernsthaftigkeit seines Handelns. Er machte deutlich, dass ihm besonders wichtig ist, China und Indien durch das von ihm vorgeschlagene Verfahren von vornherein einzubinden. Ob das gelingen kann, ist allerdings fraglich. Gestern kündigte China ebenfalls einen eigenen Plan zur Reduzierung von Treibhausgasen an. Peking werde jedoch keine internationalen Verpflichtungen eingehen. Zudem müssten die Industriestaaten einen größeren Beitrag leisten, hieß es.

Elf große deutsche Unternehmen, darunter die Bahn, Vattenfall und Telekom, haben sich unterdessen mit einem offenen Brief an die G8-Teilnehmer gewandt und verbindliche Reduktionsziele sowie eine Halbierung des globalen Treibhausgasausstoßes bis 2050 gefordert. Die Wirtschaft brauche und wolle klare Vorgaben, hieß es. Von der Haltung der USA zeigte sich Michael Otto, Sprecher der Initiative, "sehr enttäuscht". Der neue Vorschlag von Präsident Bush verzögere das Ganze nur, sagte Otto. "Die Zukunft hat noch nie in den Händen von Bremsern gelegen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort