Zukunft...

Berlin . Das wollen sich die frustrierten und Trauer tragenden Unionisten nicht auch noch antun. Als der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering auf den Fernsehschirmen erscheint, wird dem Obergenossen im Konrad-Adenauer-Haus der CDU der Ton abgedreht.

Feixende Sozialdemokraten via Fernsehen wären an diesem Abend für die Christdemokraten ein weiterer Stich ins schwarze Herz, nachdem die ersten Hochrechnungen der Union nicht satte Gewinne, sondern satte Verluste bescheinigt haben. Dabei hatte man Großes vor: Rund um die Parteizentrale ist eine Zeltstadt aufgebaut, in der man mit 2700 Gästen eine Mega-Siegesfeier begehen wollte. Doch von Partylaune ist keine Spur mehr. Es herrscht kollektive Erschütterung, die Union versinkt von jetzt auf gleich in Depression. Und sie stellt sich auf einmal die M-Frage - die Merkel-Frage.Als pünktlich um 18 Uhr die Prognose der Meinungsforschungsinstitute zu sehen ist, wird es fast still im Festzelt. "Oh je, oh je", entfährt es einem Christdemokraten. Von Hochrechnung zu Hochrechnung werden die Gesichter länger, nach all den Leckereien vom Siegerbüffet ist kaum mehr jemandem zumute. Stattdessen wird im Konrad-Adenauer-Haus zu Bier und Wein gegriffen, um den Frust zu ertränken. Von über 40 Prozent waren die meisten Unionisten ausgegangen, sogar von einer knappen schwarz-gelben Mehrheit. Es ist 18.35 Uhr, als die große Verliererin aufs Podium kommt, wenn man die hohen Erwartungen zum Maßstab nimmt, die die Union mit der Wahl verknüpft hat. "Angie, Angie"-Rufe und Applaus gibt es trotzdem, doch es klingt eher nach Pflichtübung. Angela Merkel, die Frau, die erste Bundeskanzlerin werden wollte, sieht angeschlagen aus. Im fünften Stock des Konrad-Adenauer-Hauses hat sie den Abend mit einigen Ministerpräsidenten verfolgt, Dieter Althaus, Roland Koch, Jürgen Rüttgers sind dabei. Und Edmund Stoiber. Der Bayer steht jetzt neben Merkel, grinst ein wenig. Er ist ein Sieger an diesem Abend, weil die Kandidatin weniger Prozente eingefahren hat als er bei der Bundestagswahl 2002 - Stoiber schaffte damals 38,5 Prozent.

Dennoch: Er gibt sich großherzig, "dass, was wir vor drei Jahren nicht geschafft haben, haben wir erreicht", und meint damit, trotz der Stimmenverluste wird die Union mit Merkel stärkste Fraktion im Bundestag. "Rot-Grün ist abgewählt", ruft die Kandidatin, was bejubelt wird. Jetzt gehe es darum, als stärkste Fraktion eine stabile Regierung zu bilden, "dafür haben wir, CDU und CSU, ganz eindeutig den Auftrag." Mit welchem Partner, lässt sie offen. Im Festzelt wird gemunkelt, dass die Demontage der in Wahrheit eher ungeliebten Kandidatin beginnen könnte, die die aufstrebende Männerriege der CDU nie wirklich hinter sich hatte.

Selbst Dieter Althaus, Thüringens Ministerpräsident und Mitglied in Merkels Kompetenzteam, hat plötzlich Schwierigkeiten, sich klar zur Kandidatin zu bekennen. Was wird aus Angela Merkel, lautet die Frage an ihn. "Da muss man sehen, wie sich die Ergebnisse entwickeln."

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